Der Mannheimer Morgen veröffentlichte heute interne E-Mails, aus denen ersichtlich wird, wie intern über den Umgang mit kritischer Presse bei städtischen Gesellschaften diskutiert wird.
Zum Artikel beim Mannheimer Morgen (Bezahlschranke): So diskutiert die MWSP den Umgang mit 23 „MM“-Fragen.
Im Zuge der Berichterstattung des Mannheimer Morgens zum aktuellen Aufregerthema Turley, hatte die Zeitungsredaktion ein persönliches Gespräch mit den beiden Geschäftsführern vereinbart. Dabei sollten auch kritische Fragen gestellt werden, die teilweise sehr ins Detail gehen und natürlich rechtliche Belange der städtischen Projektentwicklungsgesellschaft berühren. Deshalb ist es in solchen Fällen nicht unüblich, dass sich die Gesprächspartner auf den Fragenkatalog vorbereiten können, indem ihnen die Fragen vorab geschickt werden. Es hilft niemandem, wenn die Interviewten bei jeder zweiten Frage nicht antworten kann. Erstaunlich ist jedoch die aus den geleakten E-Mails ersichtliche Strategie, die zumindest als Gedankenspiel vom Geschäftsführer Achim Judt erwähnt wurde. Quasi um die negative Berichterstattung der Lokalzeitung abzustrafen und selbst das Narrativ bestimmen zu können, sollte man offensiv andere Medien mit den sorgsam vorbereiteten und positiv formulierten Antworten auf eben jene Fragen des Mannheimer Morgens versorgen. Eine Praxis, die unserer Redaktion nicht fremd ist. Als wir 2015 kritisch über die GBG berichteten, wurde mit uns ähnlich verfahren.
Uns liegt der interne Mailverkehr noch nicht selbst vor. Wir stützen uns bislang vollkommen auf die Berichterstattung des Mannheimer Morgens. Die Echtheit der E-Mails wurde aber von GBG-Unternehmenssprecher Christian Franke auf der offiziellen Webseite der Wohnungsbaugesellschaft bereits in einer öffentlichen Stellungnahme bestätigt. Von seinem Account wurde der E-Mail-Verlauf aus Versehen an einen ehemaligen Mitarbeiter der Zeitung verschickt.
Wir haben zur besseren Lesbarkeit die redaktionellen Anmerkungen des Mannheimer Morgens herausgekürzt und dafür eine Info-Box mit Angaben zu den genannten Namen gemacht oder eigene Anmerkungen gemacht. Außerdem haben wir die Namen einzelner Journalisten gekürzt. Die Fußnoten stammen von unserer Redaktion.
Zu den Akteuren des E-Mail-Leaks:
- MWSP: Die städtische Projektentwicklungsgesellschaft wurde als Tochter der GBG speziell für die Umsetzung der Konversion gegründet.
- GBG: Die städtische Wohnungsbaugesellschaft, mit rund 18.846 Wohnungen die größte kommunale Wohnungsbaugesellschaft in Baden-Württemberg. Sie stellt für etwa 13 Prozent der Mannheimer Bürger*innen Wohnraum zur Verfügung. Im Auftrag der Stadt Mannheim übernimmt die GBG einzelne, für die nachhaltige Entwicklung der Stadt wichtige Bauprojekte (aus der Selbstbeschreibung).
- Christian Franke: Bereichsleiter Unternehmenskommunikation bei der GBG, aber auch für die MWSP zuständig.
- Achim Judt: Geschäftsführer der MWSP.
- Karl-Heinz Frings: Geschäftsführer der GBG, aber auch der MWSP.
- Dirk Lübke: Chefredakteur des Mannheimer Morgens, dort Hauptautor der Turley-Berichterstattung. (→)
- Stefan Proetel: Leiter des Ressorts Lokales/Regionales beim Mannheimer Morgen und Mitglied der Chefredaktion.
- Ralf Walther: Leiter der Stabstelle Kommunikation der Stadt Mannheim.
- Petar Drakul: Persönlicher Referent von Oberbürgermeister Peter Kurz.
- 25. März: Der Mannheimer Morgen sendet 23 Fragen an die MWSP (frei zugänglich unter morgenweb.de).
- 25. März nachmittags: Christian Franke schreibt intern per E-Mail:
„Hallo Herr Judt, hallo Herr Frings, von Herrn Proetel habe ich die Fragen für das Interview am 11.4. erhalten. Diese stammen offensichtlich von Lübke. Nach Rücksprache mit Herrn Frings werden die Fragen im MWSP-Jour fixe am Donnerstag auch Thema sein. Ralf Walther habe ich cc1 gesetzt.“ - 25. März abends: Achim Judt schreibt intern per E-Mail:
„Hallo zusammen, wir sollten ein Pressegespräch mit Frau K.2 und den Herren P.3 und Bühler4 führen und genau diese Fragen vorab beantworten.“
In Mail-Kopie gesetzt sind Christian Franke, Karl-Heinz Frings, Ralf Walther und Petar Drakul. - 26. März: Christian Franke schreibt intern per E-Mail:
„Hallo zusammen, der Vorschlag ist zwar reizvoll, birgt aber einige Gefahren… (Der MM hat an dieser Stelle einen Satz ausgelassen, weil er persönliche Aussagen über die Journalisten enthält, Anm. d. Red.) Vielleicht sollten wir erst die Fragen selektieren,
1. die kritisch sind und die wir gut beantworten können
2. die wir nicht beantworten können oder wollen
3. die weniger brisant sind.
Die unter 1 sollten wir dann versuchen vorher zu setzen. Für 2 brauchen wir ein einheitliches Wording und 3 können wir dann im Interview ausführlich beantworten.“
In Mail-Kopie gesetzt sind Achim Judt und Karl-Heinz Frings aus der MWSP-Geschäftsführung.
Noch im Laufe des Vormittags reagierte die GBG auf die Berichterstattung des Mannheimer Morgens mit einer Stellungnahme auf der Webseite des städtischen Unternehmens.
Wir dokumentieren die Stellungnahme des Bereichsleiters Unternehmenskommunikation der GBG (Fehler im Original):
Redaktionelle Anmerkung:
Auch mit dem Neckarstadtblog möchten GBG und MWSP eine professionelle Zusammenarbeit pflegen und als Redaktionsleiter war ich bereits zu einem persönlichen Gespräch mit Karl-Heinz Frings und Christian Franke eingeladen. Bei allem freundlichen Einvernehmen (zuvor wurde mehrfach durch die Blume mit der Rechtsabteilung gewunken) ist es aber nach wie vor so, dass wir bei vielen relevanten Terminen „vergessen“ werden, uns Pressemitteilungen der GBG und MWSP nicht erreichen, E-Mails verloren gehen oder unsere Anfragen einfach ignoriert werden (bspw. unsere nicht beantwortete Presseanfragen zum Thema Turley vom 8. und 12. März diesen Jahres. Stattdessen werden andere Medien, die entweder gar nicht oder aber sehr im Sinne der GBG berichten, geradezu hofiert und seit Jahren ausgiebig mit Werbegeldern beider Gesellschaften bedacht. Ein Schelm, wer da einen Zusammenhang sieht.