Ein paar Tage vor der Zwangsversteigerung zahlreicher Immobilien auf dem Turley-Areal fand eine vom Mietshäuser Syndikat organisierte Kundgebung statt.
Es wurde gefordet, Gebäude, Grundstücke und Flächen einem sinnvollen, am Gemeinwohl orientierten zuzuführen. Eine Versteigerung an den meist bietenden berge dagegen die Gefahr, dass neue Spekulant*innen versuchen, aus Turley den größtmöglichen Profit zu pressen und Menschen auf Wohnungssuche die Leidtragenden sind.
Ausverkauf auf Turley
Die Zwangsversteigerungen sind Ergebnis eines jahrelangen Trauerspiels auf Turley. Dem anfangs von der Stadt hoch gelobten Investor Tom Bock gelang es nicht, das Areal mit den historischen Kasernengebäuden wie versprochen zu entwickeln. Der städtischen Entwicklungsgesellschaft MWSP war es wiederum nicht möglich, auf die Situation Einfluss zu nehmen, da sie fast alle Immobilien an Bock verkauft hatte. So stehen nun zahlreiche Bauruinen und unvollendete Projekte auf dem ehemaligen Vorzeigekonversionsprojekt.
Kundgebung macht Vorschläge, wie es anders gehen könnte
Rund 50 Bewohner*innen der drei Wohnprojekte auf Turley, weitere Aktivist*innen und Interessierte am Mietshäuser Syndikat sowie einige Anwohner*innen waren am Samstag zur Kundgebung auf dem Turley Platz zusammen gekommen. Vor der beispielhaften Kulisse des Casinos, einem ehemaligen Kasernengebäude, das von der Stadt als zukünftiges Bürgerhaus angekündigt ist, versammelten sich die Menschen. Das Casino hat seit Monaten kein Dach, auf der Baustelle tut sich kaum etwas. Eigentlich hätte das Bürgerhaus schon lange fertig sein sollen. Die Bewohner*innen des Wohnheims der Johannes Diakonie warten auf die dort versprochenen Werkstätten in den Räumen das Casinos.
Die Fehler rächen sich nun
Günter Bergmann vom regionalen Netzwerk des Mietshäuser Syndikats begrüßte die Anwesenden und hielt den ersten Redebeitrag. Er schilderte die Entwicklung auf Turley von Beginn an: „Für den sogenannten Ankerinvestor Bock war die Stadt Mannheim schnell willig, all die tausend Ideen, die im Beteiligungsprozess der anfänglichen Konversion entstanden sind, dessen snobistischen Vorstellungen eines Edelquartiers unterzuordnen.“ Turley sei damit in die Richtung eines hochpreisigen Nobelviertels gedrückt worden. Der Fehler habe sich nun Jahre später gerächt.
Statt hochpreisigem Wohnraum müsse dringend benötigter bezahlbarer Wohnraum enstehen. „Wieso kann aus der Reithalle nicht geförderter Wohnraum werden? Das Torhaus und das „Hotel“- daraus könnte dringend benötigter Wohnraum für Klientel des Paritätischen Wohlfahrtsverband oder für das Frauenhaus werden. Das wäre mit Sicherheit eine Nutzung, die dem Sozialgefüge Turley und der Stadt Mannheim allgemein guttun würde“, so Bergmann. Auch die geplante Tiefgarage unter dem Turleyplatz kritisierte er scharf: „Bis zu 10 Prozent der Baukosten werden normalerweise hier verbuddelt. (…) Tiefgaragen bestehen aus Beton, machen einen Großteil der CO2-Emissionen am Bau aus. Während die Polkappen schmelzen, Lützerath – unter Habeck – abgebaggert wird, und wir nur noch 7 Jahre vor dem Mannheimer Klimaziel Klimaneutral stehen… eine Tiefgarage wirkt da völlig aus der Zeit gefallen“.
Mehr Kontrolle durch die Öffentlichkeit
Alexander Sauer, Rechtsanwalt und stellvertretender Vorsitzender des Mannheimer Mietervereins, forderte dazu auf, der Stadt und ihrer Gesellschaften MWSP und GBG mehr auf die Finger zu schauen. Er kritisierte, dass beispielsweise Aufsichtsratssitzungen der MWSP im Geheimen stattfinden. Mehr Transparenz und öffentliche Kontrolle könne dabei helfen, Fehlentscheidungen zu vermeiden.
Der dritte Beitrag wurde von Dennis Ulas gehalten, Stadtrat für Die Linke in der Fraktion Li.PAR.Tie im Mannheimer Gemeinderat. In dieser Eigenschaft ist er auch Mitglied im Aufsichtsrat der für die Turley-Entwicklung verantwortlichen MWSP. Ulas erinnerte an den Immobilienspekulationsskandal von 2018 (der Mannheimer Morgen berichtete federführend darüber). Tom Bock hatte ein unbebautes Grundstück in den Baufeldern IV und V, für 6 Millionen Euro von der Stadt gekauft, um dort ein Luxus-Wohnviertel und Büroflächen zu realisieren. Doch er ließ die Fläche einfach unbebaut und verkaufte sie wenige Jahre später für 36 Millionen Euro weiter.
Ulas kritisierte die Spekulation auf dem Immobilienmarkt. „Was auf Turley benötigt wird, sind keine weiteren Luxus-Wohnungen oder Mietpreise von 16 Euro aufwärts pro Quadratmeter. Wir wollen hier keine weiteren Heuschrecken oder Immobilienhaie anlocken, die den größtmöglichen Profit aus den Gebäuden und ihren bestehenden und künftigen Bewohner*innen und Nutzer*innen quetschen wollen.“ Stattdessen müsse man gemeinwohlorientierte Bauträger fördern.
Die Stadt müsse aus den Erfahrungen mit Tom Bock lernen. Man dürfe die Entwicklung eines Quartiers nicht auf dem Markt an einen höchstbietenden Privaten abgeben. Stattdessen sei es notwendig, dass die Stadt „die volle Kontrolle über das Turley-Areal zurückerhält, um die Stadtentwicklung stärker an gemeinwohlorientierten Kriterien voranbringen zu können.“
Mietshäuser Syndikat als Alternative zur Immobilienspekulation
Die Kundgebung war Teil einer bereits seit längerem geplanten Veranstaltung der regionalen Vernetzung des Mietshäuser Syndikats. Die „Tour de Syndikat“ ist eine Fahrradtour durch die Region zu den Standorten der Wohnprojekte, die nach dem Modell des Syndikats organisiert sind. Bei der Turley-Station gab es neben der Kundgebung auch Infos, Getränke und Essen sowie Hausführungen durch die Wohnprojekte. Das neue Projekt im Entstehen – Stamitzstraße 7 – stellte sich mit einem Infostand vor (über dieses Projekt berichtete Kommunalinfo Mannheim). Wohnungspolitisch interessierte Menschen können sich bei diesen Veranstaltungen kennen lernen, austauschen und im besten Fall neue Projekte gründen.
Wir dokumentieren zwei der Reden (es gilt das geschriebene Wort):
Dieser Bericht erschien ebenfalls bei Kommunalinfo Mannheim.