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Der Preis der Haltung

Künstler Michael Volkmer (links) und Kulturbürgermeister Thorsten Riehle bei der Preisverleihung | Foto: Alexander Kästel

Wirbel um neuen Kunstpreis: Der Verzicht des Künstlers Michael Volkmer wirft Fragen zum Umgang mit umstrittenem Stiftungsgeld auf.

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Am 16. September machte die Rheinpfalz erstmals öffentlich, dass es rund um die Premiere des Mannheimer Midcareer Award zu Spannungen gekommen war. Der Installations- und Konzeptkünstler Michael Volkmer, der in der Pfalz lebt und seit Jahrzehnten in der Region künstlerisch aktiv ist, sollte als erster Preisträger ausgezeichnet werden. Mit dem Preis sind 10.000 Euro verbunden. Er wird von der Heinrich-Vetter-Stiftung finanziert und in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt der Stadt Mannheim vergeben.

Die unbequeme Haltung

Volkmer kündigte jedoch an, das Geld nicht für sich zu behalten. Er begründete seine Entscheidung mit der Herkunft des Vermögens der Stiftung: Heinrich Vetter war 1933 der NSDAP und der SA beigetreten, sein Vermögen wuchs auch durch Arisierungen jüdischer Betriebe und durch Geschäfte mit SA und SS. Nach 1945 äußerte er sich bis zu seinem Tod im Jahr 2003 nicht zu dieser Vergangenheit.

Nach dieser Ankündigung kam es laut Volkmer zu Spannungen zwischen den Beteiligten. Seine Ausstellung im Port25 blieb zeitweise geschlossen. Volkmer erklärte außerdem, auf die Akademie für Bildende Künste Mannheim sei Druck ausgeübt worden, seine Spende nicht anzunehmen. Die Akademie hat sich auf Nachfrage dazu nicht geäußert.

Mit seiner Entscheidung hat Volkmer das Preisgeld weitergegeben – und damit auch die Verantwortung für dessen Herkunft. Für die Empfänger*innen bedeutet das, selbst eine Haltung zu finden: ob sie das Geld als problematisch betrachten oder ob sie es schlicht für ihre Arbeit und ihr Überleben benötigen.

Stadt ringt um Worte

Das Neckarstadtblog stellte Presseanfragen an Stadt Mannheim, Port25 und die Heinrich-Vetter-Stiftung, um allen Beteiligten Raum für ihre Perspektive zu geben. Statt konkreter Antworten erhielten wir jedoch zunächst eine gemeinsame Stellungnahme mit allgemeinen Informationen. Fragen nach den Gründen der Schließung oder der Rolle des Kulturamts blieben unbeantwortet.

Auch auf wiederholte Nachfrage blieb die Kommunikation ausweichend. So hieß es später von der Stadt, die Ausstellung sei „etwa einen halben Tag“ wegen eines Defekts der Schließanlage geschlossen gewesen. Auf Fragen nach Telefonaten, Abstimmungen und konkreten Abläufen ging die Stadt nicht ein. Fristen zur Beantwortung wurden mehrfach nicht eingehalten. Ob dies beabsichtigt war oder nicht – es führte dazu, dass ein fundierter Bericht vor der Preisverleihung nicht möglich war.

Im Gespräch räumte die Stadt schließlich ein, dass ein weiterer Grund für die Schließung „nicht auszuschließen“ sei. Zugleich betonte sie, dass sie selbst lediglich über einen Defekt informiert worden sei. Klar wurde jedoch auch, dass sich die beiden Partner – Kulturamt und Heinrich-Vetter-Stiftung – kurzfristig abstimmen mussten, wie es nach Volkmers Ankündigung weitergeht. Man habe sich schnell darauf verständigt, Preisverleihung und Ausstellung fortzuführen. Offengelassen blieb, ob und in welcher Form die Stadt dabei konkret auf die Wiedereröffnung hingewirkt hat.

Deutlich wurde aber: Die Stadt rang in dieser Phase sichtbar darum, gemeinsam mit der Stiftung eine konsistente Kommunikationslinie einzuhalten.

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Der Abend der Preisverleihung

Am 19. September wurde der Midcareer Award im Port25 überreicht, nach einer Woche, die von Spannungen rund um Volkmers Ankündigung und die zeitweise Schließung der Ausstellung geprägt war. Der Abend begann unter erhöhter Aufmerksamkeit – Sicherheitspersonal war bestellt worden, vermutlich zum ersten Mal in der Geschichte des Hauses, wie Beobachter*innen bemerkten.

Kulturbürgermeister Thorsten Riehle eröffnete die Feier mit einer Rede, in der er ausdrücklich auf Volkmers moralische Bedenken einging. Er betonte, dass dessen Haltung legitim sei und dass es zu einer lebendigen Demokratie gehöre, auch schwierige Diskussionen auszuhalten. Zugleich sprach er von „Verwerfungen“ und bestätigte, dass die Ausstellung für einen Tag geschlossen war. Es sei nicht alles glücklich verlaufen, sagte Riehle, doch man habe einen Weg gefunden, die Ausstellung weiterzuführen.

Der stellvertretende Vorstand Prof. Dr. Markus Haass der Heinrich-Vetter-Stiftung | Foto: Alexander Kästel

Auch der Vertreter der Heinrich-Vetter-Stiftung, der stellvertretende Vorstand Prof. Dr. Markus Haass, griff diesen Gedanken auf. Er stellte die Kontroverse als Teil eines demokratischen Prozesses dar und betonte, dass unterschiedliche Haltungen ausgehalten werden müssten. Beide Reden wirkten auf die gespannte Stimmung im Raum ausgleichend und schufen einen Rahmen, in dem die Preisverleihung ungestört stattfinden konnte.

Es folgte ein Künstlergespräch, moderiert von René Zechlin, das die Ernsthaftigkeit im Umgang mit Volkmers Werk unterstrich. Am Ende stand lang anhaltender Applaus – für den Künstler selbst, aber auch für seine Haltung, mit der er den Preis in ein sichtbares Zeichen verwandelt hatte.

René Zechlin im Künstlergespräch mit Michael Volkmer | Foto: Alexander Kästel

Der Preis und der Stifter

Der Midcareer Award ist eine neue Auszeichnung für Bildende Kunst in Mannheim. Er soll alle vier Jahre an Künstler*innen vergeben werden, die über 40 Jahre alt sind und seit Langem in der Region wirken. Port25 zeigt jeweils eine begleitende Ausstellung.

Die Heinrich-Vetter-Stiftung ist nach ihrem Gründer Heinrich Vetter benannt. Vetter war ab 1933 Mitglied von NSDAP und SA, sein Vermögen wuchs durch Arisierungen und Geschäfte mit NS-Organisationen. Nach 1945 schwieg er zu dieser Vergangenheit, bis er 2003 starb, etablierte jedoch eine Stiftung, die bis heute viele kulturelle und soziale Projekte in Mannheim und Umgebung unterstützt.

Das Thema sorgte bereits vor 15 bis 20 Jahren für Kontroversen. Erstmals öffentlich benannt wurde Vetters Rolle bei Arisierungen bei einer Ausstellung 2005. Größere öffentliche Aufmerksamkeit erhielt das Thema jedoch erst, als die Bild-Zeitung nach Ende der Ausstellung darüber berichtete und der Gemeinderat sich damit befasste. Die Vetterstiftung – zu diesem Zeitpunkt noch mit dem Geschäftsführer Esser – schäumte und beschuldigte den „AK Justiz“, das Ansehen Heinrich Vetters in den Dreck zu ziehen. Der „Arbeitskreis Justiz und Geschichte des Nationalsozialismus in Mannheim“ dokumentierte anschließend die Arisierungen, von denen Vetter profitierte.

2013 ließ die Stiftung gemeinsam mit der Stadt Mannheim durch die Historikerin Christiane Fritsche eine Studie erstellen, die Vetters Rolle in der NS-Zeit aufarbeitete. Seither verweisen Stadt und Stiftung darauf, dass das Thema aufgearbeitet sei. Gleichwohl blieb der Name der Stiftung unverändert bestehen – ein Umstand, der Michael Volkmers Entscheidung, das Preisgeld weiterzugeben, maßgeblich beeinflusste.

Quellen: eigene Recherchen, eigener Reporter vor Ort, Auskünfte der Stadt Mannheim, Webseiten des AK Justiz und der Heinrich-Vetter-Stiftung

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