Seit Jahren gibt es Beschwerden über die barrierefreie Toilette im Platzhaus. Die GBG löst das Problem mit noch mehr Ausgrenzung.
Die barrierearme Toilette im Platzhaus am Alten Messplatz war offiziell rund um die Uhr zugänglich. Seit November 2025 ist der Zugang jedoch auf die Öffnungszeiten der angrenzenden Gastronomie begrenzt. Für viele mobilitätseingeschränkte Menschen ist sie seit Jahren ein Ort des Ausschlusses: verdreckt, beschädigt, ohne ausreichenden Notruf, oft einfach verschlossen und neuerdings auch zeitlich eingeschränkt.
Bei einem Vor-Ort-Termin am 11. September 2025 zeigte sich die Anlage erneut in einem desolaten Zustand: mit Fäkalien verschmutzt, vermüllt, beschädigt. Toilettenpapier fehlte, ausgedrückte Zigaretten und Verpackungen lagen auf dem Boden. Eine Damenbinde klebte auf dem Piktogramm für barrierefreie Zugänglichkeit an der Tür und blieb dort monatelang haften.
Pächter sieht sich nicht verantwortlich
Beim Vor-Ort-Termin erklärte der Pächter der angrenzenden Gaststätte, er verweigere die Reinigung, solange der zweckwidrige Gebrauch nicht unterbunden werde. Die Toilette werde regelmäßig durch Drogenkonsum, Übernachtungen und unbefugte Nutzung zweckentfremdet. Auch die Nutzung durch Gewerbetreibende bei Veranstaltungen auf dem Alten Messplatz sei ein Problem. Der Euro-Schlüssel, der eigentlich Menschen mit Behinderungen vorbehalten ist, werde vielfach unrechtmäßig verwendet. Laut Pächter sei es problemlos möglich, einen solchen Schlüssel im Internet zu erwerben: „Jeder Taxifahrer hat einen.“
Vertraglich sei er laut eigener Aussage zur regelmäßigen Reinigung verpflichtet. Wie häufig diese zu erfolgen habe, sei allerdings nicht definiert. Einmal im Monat sei formal ebenfalls regelmäßig, so der Pächter. Die von ihm angeführten Schäden durch mutmaßlichen Vandalismus sind bislang jedoch nicht nachvollziehbar dokumentiert. Einzelne Mängel, etwa eine zerstörte Ablage, bestehen nachweislich seit über einem Jahr.
Videoüberwachung? Fehlanzeige. Oder doch?
Der Durchgang des Platzhauses ist nach Angaben der Polizei kein Teil des städtischen Videoüberwachungsbereichs. Dort sind Kameras sichtbar angebracht. Ob diese funktionsfähig sind, ist unklar. Laut Pächter seien es Attrappen, die er selbst installiert habe. Eine abschreckende Wirkung hätten sie nicht gezeigt. Hinweise auf private Videoüberwachung fehlen.
Tür schwer zu öffnen, Notruf nur optisch
Die Tür zur Toilette ist schwergängig und hat eine Türschwelle, für viele Rollstuhlfahrer*innen allein kaum zu öffnen. Der vorhandene Notruf besteht lediglich aus einem Lichtsignal und einem akustischen Ton über der Tür. Eine Verbindung zu einer Leitstelle besteht nicht. Ob jemand darauf reagiert, ist fraglich.
Eigentumsverhältnisse und Verantwortung
Eigentümerin der Immobilie ist die GBG, die als städtische Tochtergesellschaft das Grundstück im Rahmen eines Erbbaurechts übernommen hat. Die Verantwortung für Betrieb und Reinigung hat sie an den Pächter weitergegeben. Die GBG erklärt auf Anfrage, sie selbst kontrolliere die Anlage nicht regelmäßig, sondern reagiere auf Hinweise. Im Oktober 2025 sei ein Mitarbeiter vor Ort gewesen, um mit einem Handwerker Reparaturen zu besprechen. Eine umfassende Lösung für das Problem liege bisher nicht vor, man sei intern im Austausch, so die Unternehmenskommunikation.
Die Verpflichtung zur Einrichtung einer rund um die Uhr zugänglichen Behindertentoilette besteht laut Stadtverwaltung weiterhin und ist Bestandteil des Erbbauvertrags von 2007. Die Stadt betont allerdings, dass es sich bei der Bereitstellung öffentlicher Toiletten nicht um eine Pflichtaufgabe handle. Öffentliche Toiletten seien eine freiwillige Leistung, die auch von Dritten bereitgestellt werden könne, ohne dass diese damit eine öffentliche Aufgabe übernähmen.
GBG verletzt wissentlich den Erbbauvertrag
Im November 2025 wurde bekannt, dass an der Tür der barrierearmen Toilette ein zusätzliches Schloss angebracht wurde. Die GBG bestätigte auf Nachfrage, dass sie diese Maßnahme selbst veranlasst habe. Laut ihrer Pressesprecherin sei die Entscheidung aus „hygienischen Gründen“ getroffen worden. Die Toilette sei durch Vandalismus und extreme Verschmutzung zeitweise „kaum oder gar nicht nutzbar“ gewesen. Künftig werde die Tür nur noch tagsüber durch den Pächter geöffnet und abends verschlossen. Damit verletzt die GBG eine zentrale vertragliche Verpflichtung aus dem Erbbauvertrag von 2007 – nämlich die durchgehende Zugänglichkeit einer barrierefreien Toilette.
Die GBG verweist auf einen Austausch mit der Stadt und der AG Barrierefreiheit. Tatsächlich findet dieser Austausch jedoch seit Jahren ohne greifbares Ergebnis statt. Statt abgestimmter Lösungen wurden nun Tatsachen geschaffen – ohne Rücksprache mit Betroffenen. Hinweise auf die geänderte Zugangssituation fehlen zunächst völlig, sollen aber laut GBG nachträglich angebracht werden.
Nach Angaben der AG Barrierefreiheit existiert von Seiten der GBG oder des Pächters keinerlei systematische Dokumentation darüber, wann es zu den genannten Vandalismusschäden gekommen sein soll oder durch wen sie verursacht wurden. Ebenso fehlen nachvollziehbare Angaben darüber, wie regelmäßig die Toilette tatsächlich gereinigt wird.
Teilhabe ist Menschenrecht
Die Arbeitsgemeinschaft Barrierefreiheit Rhein-Neckar e. V. sieht hier einen strukturellen Missstand. Die Organisation verweist auf die UN-Behindertenrechtskonvention, die Deutschland 2009 ratifiziert hat. Diese verpflichtet Bund, Länder und Kommunen, gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe für Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen. Dazu gehöre auch der Zugang zu barrierefreien Toiletten im öffentlichen Raum, insbesondere an zentralen Orten wie dem Alten Messplatz. Nach Ansicht der Arbeitsgemeinschaft trägt die GBG hier als städtisches Unternehmen eine besondere Verantwortung.
Protest vor Ort und politische Petition
Am 30. Oktober 2025 fand eine Protestaktion mobilitätseingeschränkter Menschen direkt im Durchgang des Platzhauses statt. Über ein Dutzend Teilnehmende, überwiegend Rollstuhlfahrer*innen mit Begleitpersonen, machten auf die unhaltbaren Zustände aufmerksam. Neben der Presse waren auch die GBG und der Pächter eingeladen – erschienen ist jedoch nur ein Pressevertreter. Die Toilette war an diesem Tag offenbar kurz zuvor gereinigt worden, möglicherweise weil Medienpräsenz angekündigt war. Eine Rollstuhlfahrerin mit Unterstützung nutzte die Gelegenheit auch kurz nach Beginn der Aktion.
Unterdessen fordern Betroffene mit einer Online-Petition eine generelle Verbesserung der barrierefreien Toilettensituation in Mannheim. Hintergrund ist ein Gemeinderatsbeschluss, in dem der Bau von zwanzig neuen Toilettenanlagen angekündigt, bislang aber nicht finanziert wurde – sehr zum Unmut von Betroffenen. Die Petition ist unter folgender Adresse abrufbar: openpetition.de/!tbgsl
Ein ungelöstes Problem seit 2007
Bereits 2007 wurde im Erbbauvertrag die Verpflichtung zur Einrichtung einer barrierefreien und jederzeit zugänglichen Toilette festgeschrieben. Beschwerden über die Anlage reichen ebenfalls bis in dieses Jahr zurück. Auch 2010 wurde das Problem im „NeckarstadtAnzeiger“ medial aufgegriffen. Seitdem hat sich wenig verändert. Und noch immer ist die Toilette in der Praxis für viele unbenutzbar – inzwischen sogar offiziell eingeschränkt.
Quellen: Auskünfte der AG Barrierefreiheit, Auskünfte der GBG, Auskünfte der Stadt Mannheim, Auskünfte des Pächters, eigene Recherchen

