
Ein Mann meldete 21 Sexualdelikte, die laut Polizei wohl nicht stattfanden. In der Statistik tauchen sie dennoch auf.
Im Ausschuss für Sicherheit und Ordnung des Gemeinderats präsentierte Polizeipräsidentin Ulrike Schäfer Mitte Mai die aktuelle Kriminalitätsstatistik für Mannheim. Dabei verwies sie auf einen Anstieg bei den Sexualstraftaten, erklärte jedoch sofort, dass ein „Vielschreiber“ für 21 Anzeigen verantwortlich sei. Diese seien „sehr wahrscheinlich nicht tatsächlich stattgefunden“ und dennoch statistisch erfasst worden.
Anzeigen gegen Nachbarn und Firmen
Auf Nachfrage bestätigte das Polizeipräsidium nochmals die Schilderungen aus der Ausschusssitzung. Es handele sich um 21 Fälle sexueller Belästigung, die von einer männlichen Person angezeigt wurden. Der Mann beschuldigte unter anderem Nachbarn, seinen Vermieter sowie diverse Firmen und Institutionen. In allen Fällen habe er sich selbst als Geschädigten dargestellt.
Die Polizei spricht von „erheblichen Zweifeln am Wahrheitsgehalt“ der Anzeigen. Bisherige Ermittlungen hätten diese Einschätzung bestätigt. Die Fälle wurden der Staatsanwaltschaft Mannheim vorgelegt. Dort wird geprüft, ob der Mann sich unter anderem wegen Vortäuschens einer Straftat strafbar gemacht haben könnte.
Einzelfall verzerrt Statistikbild
Der Fall zeigt exemplarisch, wie irreführend Rohdaten in der Kriminalitätsstatistik sein können. Ohne den begleitenden Hinweis aus der Sitzung hätten die 21 Delikte als Teil eines größeren Kriminalitätsgeschehens erscheinen können. Tatsächlich beruhen sie alle auf den Angaben eines Einzelnen, dessen Glaubwürdigkeit bezweifelt wird.
Dass Polizeipräsidentin Schäfer den Vorgang bereits bei der Präsentation der Statistik einordnete, war ein wichtiger Schritt. Denn Kriminalstatistiken können ein verzerrtes Bild erzeugen, wenn der Kontext fehlt. Ihre Bewertung erfordert nicht nur Sorgfalt und Differenzierung — sondern auch Hintergrundwissen, was hinter den Zahlen steckt.