Vier Wochen lang probt die Stadt Mannheim erstmals die mobile, digitale und automatisierte Überwachung unserer Straßen.
Seit gestern ist das neue Scan-Fahrzeug der Stadt Mannheim regelmäßig in der Neckarstadt unterwegs. Am Donnerstagnachmittag kreiste es in der Neckarstadt-Ost mehrfach durch die Straßen – auf der Suche nach Fahrzeugen, die gefährlich im Halteverbot stehen, Kreuzungsbereiche blockieren oder Feuerwehrzufahrten versperren. Der Testbetrieb ist auf vier Wochen angesetzt und Teil eines landesweiten Pilotprojekts, das nun in Mannheim in die entscheidende Phase geht.
Mannheim kontrolliert als erste Stadt mit Sanktionen
Als erste Kommune in Baden-Württemberg setzt Mannheim die Scan-Technik nicht nur testweise ein, sondern sanktioniert Verstöße auch direkt. Das System erfasst per Kamera und GPS parkende Fahrzeuge, erkennt Kennzeichen und dokumentiert mögliche Verstöße automatisch. Diese werden an Mitarbeitende des Fachbereichs Sicherheit und Ordnung weitergeleitet, die den jeweiligen Fall prüfen. Erst danach kann ein Verfahren eingeleitet werden.
Ziel sei laut Stadt eine effizientere Kontrolle des ruhenden Verkehrs und eine Entlastung des Außendiensts. Die Technik stammt vom Unternehmen DCX Innovations, das Fahrzeug ist geleast. Das Land trägt die Projektkosten, Mannheim übernimmt die temporäre Beschilderung und stellt das Personal.
Start mit Pressetermin und gelben Plakaten
Der offizielle Startschuss fiel am Mittwoch beim Pressetermin in der Neckarstadt. Neben Bürgermeister Dr. Volker Proffen (CDU) war auch Staatssekretärin Elke Zimmer (Grüne) anwesend. Beide betonten die sicherheitsrelevante Zielsetzung des Projekts.
Seit kurzem hängen auffällige gelbe Plakate an Laternenmasten in der Neckarstadt. Sie tragen die Aufschrift „Pilotversuch Scan-Fahrzeuge“, zeigen das Fahrzeug mit Kameraaufbau – allerdings nicht im korrekten Farbton – und verlinken per QR-Code auf eine Infoseite der Landesregierung. Unklar bleibt, ob diese Plakate bereits die angekündigte „Beschilderung im Laufe des Novembers“ darstellen oder ob noch weitere Hinweise an den Zufahrten folgen.
Nicht jeder Parkverstoß wird erfasst
Das Scan-Fahrzeug fährt täglich mehrere Stunden durch die Neckarstadt. Erkennt das System beim ersten Durchfahren einen potenziellen Parkverstoß, muss dieselbe Strecke innerhalb von zehn Minuten erneut befahren werden. Wird der Verstoß bestätigt, prüfen Mitarbeitende des Fachbereichs Sicherheit und Ordnung den Fall manuell. Nur bei Bestätigung wird ein Verfahren eingeleitet.
Erfasst werden ausschließlich Verstöße im absoluten Halteverbot oder an zuvor digital kartierten Gefahrenstellen – etwa auf Radwegen, in Einfahrten oder an Kreuzungen. Anwohnerparkausweise oder Parkscheine prüft das System nicht. In der Neckarstadt spielt das ohnehin kaum eine Rolle: Dort gibt es praktisch keine Bewohnerparkzonen und kaum Parkscheinautomaten am Straßenrand.
Worüber die Stadt bislang auch nicht spricht: Was passiert während des Testbetriebs mit Verstößen, die das Scan-Fahrzeug (noch) nicht erkennt? Dazu zählen beispielsweise das Parken entgegen der Fahrtrichtung oder in zweiter Reihe.
Mal wieder Schweigen statt Transparenz
Wie viele Verstöße das Scan-Fahrzeug am ersten Tag erfasst hat, wollte die Stadt nicht mitteilen. Auf Anfrage hieß es, man könne derzeit noch keine Fallzahlen nennen. Der Probebetrieb sei gerade erst angelaufen, im Vordergrund stünden zunächst technische Abläufe – etwa das Zusammenspiel der städtischen IT mit der des Projektpartners DCX Innovations GmbH. Es stellt sich die Frage, ob an dieser Stelle wieder mangelnde Transparenz vorliegt oder die Stadt ihre eigenen Daten nicht überblickt.
Zukünftig weniger Kontrolle durch Menschen?
Die Stadt betont, dass keine automatisierte Sanktionierung erfolgt – jeder Vorgang werde derzeit von Mitarbeitenden gesichtet. Doch in einem Interview mit dem Mannheimer Morgen erklärte Fachbereichsleiterin Jessica Deutsch, bei dauerhafter Nutzung könne die Prüfung auch stichprobenartig erfolgen. Die Behauptung, alle Entscheidungen würden von Menschen getroffen, verliert damit bereits jetzt an Gewicht – und das noch vor Abschluss der Testphase.
Kameras scannen pausenlos – auch Passant*innen
Das Fahrzeug ist mit mehreren Kameras ausgestattet, die während der Fahrt den Straßenraum filmen. Die Stadt versichert, nur Daten zu erfassungsrelevanten Verstößen würden weiterverarbeitet. Aufnahmen korrekt geparkter Fahrzeuge würden demnach automatisch gelöscht und das Fahrzeug nicht verlassen.
Tatsächlich aber wird beim Durchfahren alles erfasst, was sich am Straßenrand befindet: Fußgänger*innen, Radfahrende, Kinder, Gesichter, Kfz-Kennzeichen. Auch wenn diese Aufnahmen nicht dauerhaft gespeichert werden, entsteht der Eindruck, aufgenommen zu werden.
Anders als bei stationärer Videoüberwachung, wie etwa am Alten Messplatz, können Menschen den Kameras des Scan-Fahrzeugs kaum ausweichen. Es kommt in die eigene Straße, direkt vor die eigene Haustür. Die Fahrzeuge ähneln äußerlich bekannten Kamerafahrzeugen von Kartendiensten, dienen aber einem anderen Zweck. Hier geht es nicht um anonyme Kartierung, sondern um gezielte Beweisaufnahmen für Ordnungswidrigkeiten. Rein technisch wäre es möglich, dass auch andere Bilddaten mitgespeichert werden. Die Stadt veröffentlicht bislang keine technischen Details zu Speicherung, Löschung oder Zugriff. Die Bevölkerung soll den Behörden vertrauen.
Einnahmen? Nicht das Ziel – aber mögliches Ergebnis
Staatssekretärin Elke Zimmer (Grüne) betonte beim Pressetermin, das Ziel des Pilotprojekts sei ein sichererer Straßenraum – nicht die Erhöhung kommunaler Einnahmen. Bürgermeister Dr. Volker Proffen (CDU) äußerte sich in dieselbe Richtung. Der Mannheimer Morgen kommentierte: „Aber natürlich freut sich Proffen, der auch Kämmerer ist, wohl auch über die eine oder andere Zusatzeinnahme für den Haushalt.“
Dass solche finanziellen Überlegungen nicht abwegig sind, zeigte zuletzt eine Debatte im Gemeinderat. Dort wurden etwa mobile Blitzer auch als haushaltsrelevante Maßnahme thematisiert.
Persönlichkeitsrechte stehen hinten an
Die Bevölkerung muss hinnehmen, dass die Kamera systematisch alles aufzeichnet, was sich am Straßenrand abspielt. Eine Einwilligung wird nicht eingeholt. Wer dem digitalen Blick der Kamera entgehen will, kann das kaum – denn das Fahrzeug ist mobil, flächendeckend unterwegs und nicht angekündigt. Die Persönlichkeitsrechte der Menschen treten damit hinter das Ordnungsinteresse der Stadt zurück.
Weitere Informationen: www.mannheim.de/scan-fahrzeuge
Quellen: Pressemitteilung der Stadt Mannheim, Mannheimer Morgen, SWR, eigene Recherchen

