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Stadtentwicklung

Protest eskaliert in GBG-Zentrale

Eine Gruppe von rund 10 Aktivist/innen aus dem Umfeld des wohnungspolitischen Bündnisses „Wem gehört die Stadt?“ verlangte gestern in den Räumlichkeiten der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GBG mit Nachdruck  nach Antworten.

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Um das Ergebnis schon einmal vorweg zu nehmen: Die gewünschten Antworten erhielten die jungen Aktivist/innen an diesem Tag nicht.

Update: Abriss und Neubau sind beschlossen!

Bereits am Morgen hatte eine andere Protestveranstaltung der Bürgerinitiative FairMieten stattgefunden, da bekannt geworden war, dass an diesem Vormittag eine nicht-öffentliche Aufsichtsratssitzung der GBG anberaumt war. Vor Ort hat sich diese Annahme wohl bestätigt, da an diesem Morgen fast alle Mitglieder dieses Gremiums beim Betreten des Gebäudes gesehen wurden. Worum es in der Sitzung ging ist unklar, da von den Mitgliedern nicht über die Inhalte gesprochen werden darf. Versuche, die Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratmitglieder aufzuheben, sind offensichtlich bereits letztes Jahr gescheitert, selbst darüber darf keine Auskunft gegeben werden.

Vor dem Personaleingang entspann sich am Morgen gegen 9 Uhr eine hitzige Debatte zwischen den Mitgliedern der Bürgerinitiative (zu der auch zwei betroffene Mieterinnen gehören) und der Hauptabteilungsleiterin für Bauvorbereitungen und Architektin Kersten Eberhard, dem GBG-Sozialarbeiter Marco D´Angelo und dem Unternehmenssprecher Christian Franke, bei der die GBG-Angestellten den vollen Zorn und die Verzweiflung der Mieterinnen zu hören bekamen – mitunter auch unter der Gürtellinie. Die GBG zeigte sich in dieser Situation unnachgiebig in der Sache, aber in diesem Moment wesentlich diplomatischer und verständnisvoller als die Mieterinnen, die wohl demnächst ihr langjähriges Zuhause verlieren werden. Die Position der Wohnungsbaugesellschaft blieb klar: Sie ist von der Richtigkeit ihres Projekts überzeugt. Der Abriss wird kommen, also solle lieber darüber gesprochen werden, wie der Schmerz für die Betroffenen gelindert werden könne. Auf eine Debatte, was denn die Ultima Ratio der GBG sei, wenn die Mieter/innen partout nicht ausziehen würden, wollten sich die GBG-Angestellten nicht einlassen. Sie wollen weiterhin eine gemeinsame Lösung erreichen, für die Mieter/innen hingegen gibt es nur ein Ziel, nämlich den Abriss zu verhindern. Die Fronten sind verhärtet, und wenn nicht eine Seite im weiteren Verlauf umdenkt, wird dieser Streit wohl letzten Endes vor Gericht entschieden werden müssen – mit unklarem Ausgang.

Zurück zur Aufsichtsratssitzung: Die Vermutung liegt nahe, dass am gestrigen Tag auch über die Zukunft der Bebauung Main-, Kinzig-, Carl-Benz-Straße entschieden werden sollte. Dies dachte sich wohl auch eine kleine Gruppe von Aktivist/innen aus dem Umfeld von „Wem gehört die Stadt?“ (WGDS), die schon vergangenen Samstag Wohnungen in einem betroffenen GBG-Haus 24 Stunden lang friedlich besetzt hatte, und entschloss sich am Nachmittag spontan bei der Wohnungsbaugesellschaft vorbeizugehen und zu fragen, was denn nun entschieden worden sei.

Kurz nach 15 Uhr betraten sie die GBG-Zentrale im Ulmenweg durch den Haupteingang, skandierten Parolen und machten mit einer Trillerpfeife auf sich aufmerksam, worauf die anwesenden Mitarbeiter der Wohnungsbaugesellschaft zunächst recht amüsiert reagierten und ihre Arbeit unterbrachen. Viele Kunden waren zu diesem Zeitpunkt nicht anwesend.

Zwei Transparente hatten die jungen Leute mitgebracht und auch zwei betroffene GBG-Mieterinnen waren mitgekommen.  Da die Angestellten im Bereich Vermietungen natürlich keine Auskunft über die Beschlusslage geben konnten, wurde ein qualifizierter Ansprechpartner verlangt. Bis die Leiterin der Rechts- und Personalabteilung der Wohnungsbaugesellschaft am Ort des Geschehens war, gab es über das mitgebrachte Banner hinweg noch minutenlang Gespräche mit den immer verunsicherter wirkenden GBG-Mitarbeitern.

Die Leiterin der Rechts- und Personalabteilung erklärte den wohnungspolitischen Aktivist/innen, dass sie keinerlei Angaben zu internen Beschlüssen des Aufsichtsrats oder der Geschäftsleitung machen könne und forderte die störenden Protestierenden auf, das Privatgebäude der GBG zu verlassen, was diese auch nach Aufklärung über die, ihnen sicher bereits im Vorfeld bekannte, Rechtslage ablehnten.

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Foto: M. Schülke

Auch die Androhung, die Polizei zu rufen, änderte nichts am Anliegen der jungen Leute. Sie wollten Antworten und zwar sofort: Ob der Aufsichtsrat den Abriss beschlossen habe, wann mit dem Abriss begonnen werde und was mit den verbliebenen Mieter/innen geschehe. Unternehmenssprecher Christian Franke, der am Morgen noch intensiv mit der Bürgerinitiative FairMieten diskutiert hatte, hielt sich in dieser Situation im Hintergrund.

Letztes Jahr im März gab es im Anschluss an die Aufsichtsratssitzung eine Pressekonferenz und eine Pressemitteilung, in welchen die Aufsichtsratsbeschlüsse zu den Abrissplänen am Adolf-Damaschke-Ring verkündet wurden. Vielleicht wird das dieses Mal ebenso der Fall sein, vorher wird es von der Wohnungsbaugesellschaft erfahrungsgemäß keine Aussage geben. Der Versuch der Aktivist/innen diesen internen Ablauf der GBG durch persönliches Vorsprechen zu umgehen, war wohl von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Während der Protestaktion stellten sich die Aktivist/innen mit einem Banner gut sichtbar vor den Haupteingang (s. oberstes Bild), bemühten sich jedoch, keine GBG-Kunden zu behindern. Vereinzelt äußerten Hineingehende  sogar ihre Solidarität mit dem Anliegen der Protestierenden.

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Nachdem die Leiterin der Rechts- und Personalabteilung mehrfach ohne Wirkung mit dem Hinzuziehen der Polizei gedroht hatte, passierte letztendlich genau das. Vor dem Hauptgebäude der GBG versammelten sich innerhalb weniger Minuten um die zehn Streifenwagen und die ausgestiegenen Beamten besprachen sich auf dem Gehweg.

Die Aktivist/innen brachen daraufhin ihre Zelte ab und wollten dem ihnen erteilten Hausverbot nun nachkommen, doch in diesem Moment kam es zu einer emotionalen Diskussion zwischen dem inzwischen wieder vermittelnden Sozialarbeiter D´Angelo und einer aus der Kinzigstraße in die Käfertaler Straße umgesetzten GBG-Mieterin, die unbeirrt forderte, wieder zurück in ihre alte Wohnung zu dürfen, da ihr behinderter Sohn jeden Tag zu seinem ehemaligen Zuhause laufen würde.  D´Angelo erklärte der Frau, dass sie doch die Umsetzung lange und intensiv besprochen hätten und sie einverstanden gewesen sei, doch sie beharrte darauf, ihre Meinung geändert zu haben und wollte zurück. Die Aktivist/innen wollten die Frau nicht alleine stehen lassen und verpassten damit die letzte Gelegenheit, das Gebäude vielleicht noch rechtzeitig zu verlassen.

Vor der Tür wurden die Personalien aller Protestierenden aufgenommen. Es kam zu keinen Festnahmen. Den Aktivist/innen wurde nach deren Angaben von den Beamten vor Ort ein Platzverweis erteilt.

Die Hauseigentümerin GBG hat laut Aussage der Pressestelle der Polizei Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch erstattet. Es wurden bei dem Polizeieinsatz von insgesamt 15 Personen die Personalien aufgenommen, gegen die nun ermittelt wird.

§ 123 StGB:  Hausfriedensbruch

(1) Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.

Alle Aktivist/innen waren Polizeiangaben zufolge friedlich, es kam zu keinerlei Widerstandshandlungen gegen die Beamten.

Unternehmenssprecher Christian Franke zeigte sich nach der Protestaktion verständnislos gegenüber der Art und Weise, wie die Aktivist/innen hier vorgegangen seien. Schriftlich teilt er uns am nächsten Tag noch mit, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft sicherlich nicht an einer Eskalation interessiert sei, jeglichen Rechtsverstoß jedoch künftig ahnden werde. „Gerade auch wenn Mitarbeiter und Kunden in eine mögliche Gefahrensituation gebracht werden oder unser Eigentum beschädigt wird“, schließt er.


Nachtrag: Eben teilt uns der Unternehmenssprecher Christian Franke noch per E-Mail mit, dass es keine Pressemitteilung zur Aufsichtsratssitzung gäbe. Und weiter:

Es wurde aber der Beschluss für den Neubau gefasst. Dies habe ich gestern dem SWR auf Anfrage mitgeteilt. Wir werden die weiteren Planungen – wie bisher erfolgt – im Bezirksbeirat Neckarstadt-Ost vorstellen, sofern das gewünscht ist. Auch unsere verbliebenen Mieterinnen und Mieter erhalten weiterhin Angebote im näheren Umfeld, so dass sie das Quartier nicht verlassen müssen. Ich hoffe, dass mit Hilfe unseres Sozialen Managements hier Lösungen gefunden werden.

Die Mieter/innen, Bürgerinitiativen und Aktivist/innen konnten also weder Geschäftsführung noch Aufsichtsrat der GBG von den schwerwiegenden Auswirkungen, die der Abriss der 128 günstigen Mietwohnungen im Kern der Neckarstadt-Ost ihren Befürchtungen nach haben wird, überzeugen. Die Entscheidung ist in der Neckarstadt-Ost auch deshalb anders ausgefallen als am Adolf-Damaschke-Ring, weil die städtische Wohnungsbaugesellschaft in unserem Quartier deutlich mehr Wohnungsbestand hat als in Feudenheim. Die GBG konnte ihren Aufsichtsrat davon überzeugen, dass die Angelegenheit für die Bestandsmieter/innen sozial verträglich abgewickelt werden kann. Die zukünftige Entwicklung der Mietpreise im Umfeld der geplanten GBG-Neubauten wird zeigen, wer langfristig Recht behält.


(Alle Fotos: M. Schülke)

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