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Stadt rät, Tarif bei der Telekom zu buchen

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Bürgermeister und Werbeträger Proffen beim PR-Termin | Foto: Stadt Mannheim

Die Stadt Mannheim bewirbt das Angebot der Deutschen Telekom und bringt sich damit in rechtliche Grauzonen.

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Die Stadt Mannheim hat am 22. Mai eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der sie den Start des Glasfaserausbaus in der Innenstadt und im Jungbusch ankündigt. Tatsächlich beginnt der Ausbau durch die Deutsche Telekom. Das zuständige Dezernat I nutzt die Gelegenheit für Aussagen, die deutlich über eine sachliche Information hinausgehen.

Tarifdetails und Buchungslink

Die städtische Mitteilung richtet sich direkt an Mieter*innen und erklärt: Sie müssten „lediglich einen Glasfaser-Tarif buchen“, um vom kostenfreien Hausanschluss zu profitieren. Diese Aussage steht ohne ergänzende Hinweise auf Anbieterwahl oder technische Voraussetzungen im Raum. Sie enthält zudem einen direkten Link zum Buchungsportal der Telekom: www.telekom.de/glasfaser. Auch eine kostenlose Hotline der Telekom wird genannt, über die sich Außendienstmitarbeiter*innen mit entsprechendem Logo identifizieren lassen sollen.

Formulierungen wie aus dem PR-Baukasten

Sowohl inhaltlich als auch sprachlich folgen zentrale Passagen der städtischen Mitteilung direkt dem Sprachgebrauch der Telekom. Neben technischen Angaben finden sich auch werbliche Aussagen nahezu wörtlich wieder. Das gilt insbesondere für das Zitat von Bonny Ottinger, Regionalmanagerin der Telekom, das in identischer Fassung in beiden Mitteilungen steht.

Gemeinsam Werbung formuliert

Auf Presseanfrage schildert die Stadt Mannheim allgemein, wie Glasfaserprojekte im Stadtgebiet abgewickelt werden. Auf konkrete Fragen zur wettbewerbsrechtlichen Prüfung, zur Auswahl einzelner Anbieter, zu möglichen Absprachen mit der Telekom oder zu vergleichbaren Pressemitteilungen in anderen Fällen geht sie nicht ein. Stattdessen bleibt die Antwort auf einer sehr allgemeinen Ebene und lässt zentrale Aspekte unbeantwortet.

Die Telekom hingegen ist deutlich auskunftsfreudiger und bestätigt auf Anfrage, dass es sich um einen gemeinsamen Pressetermin mit der Stadt gehandelt habe. Die Medieninformation sei im Vorfeld mit der Stabsstelle Presse und Kommunikation abgestimmt worden. Auch das Zitat von Erstem Bürgermeister Dr. Proffen sei gemeinsam formuliert worden. Ziel sei gewesen, die Vorteile des Ausbaus für die Bürger*innen hervorzuheben.

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Wettbewerber bleiben zurückhaltend

Weder 1&1 noch Deutsche Glasfaser äußerten sich direkt zur Mitteilung. Deutsche Glasfaser spricht von einer branchenüblichen Praxis, Spatenstiche gemeinsam mit Kommunen zu kommunizieren. Eine Bewertung der konkreten Aussagen vermeidet das Unternehmen ausdrücklich. 1&1 verweist auf eigene Open-Access-Modelle, nimmt jedoch ebenfalls keine inhaltliche Stellung. Vodafone reagierte auf die Presseanfrage gar nicht.

Regierungspräsidium übernimmt Sicht der Stadt

Das Regierungspräsidium Karlsruhe teilt auf Anfrage mit, man sehe in der Mitteilung keinen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot. Die Stadt habe laut eigener Auskunft ihre Bürger*innen auf die Möglichkeit hingewiesen, einen kostenlosen Hausanschluss zu erhalten. Auch bei anderen Anbietern gehe man so vor. Auffällig ist jedoch: Die Behörde übernimmt die Sichtweise der Stadt nahezu vollständig, ohne Anzeichen einer eigenständigen rechtlichen Bewertung. In ihrer Begründung folgt sie der Logik der städtischen Pressemitteilung. Dabei ist das Regierungspräsidium für die Aufsicht über die Stadt Mannheim zuständig. Dass es sich auf die Darstellung der Kommune verlässt, statt die kritischen Fragen selbst zu prüfen, wirft Zweifel an der unabhängigen Kontrolle auf.

Grenze zur Werbung verschwimmt

Auch wenn die rechtliche Bewertung ausbleibt, bleibt der Eindruck bestehen, dass die Stadt Mannheim mit ihrer Mitteilung gezielt auf das Angebot eines einzelnen Unternehmens aufmerksam macht. Hinweise auf andere Anbieter fehlen. Ein Marktüberblick wird nicht gegeben. Die Sprache übernimmt Formulierungen aus der Werbung. Damit verschwimmt die Grenze zwischen sachlicher Öffentlichkeitsarbeit und unternehmensbezogener Darstellung in problematischer Weise.

Auch ohne formale Vereinbarung zeigt sich ein abgestimmtes Vorgehen. Es liegt nahe, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gepflegt wird, von der beide Seiten perspektivisch profitieren könnten etwa bei der künftigen Koordination von Infrastrukturmaßnahmen. Man könnte das auch mit deutlich kritischeren Worten bewerten.

Kommentar
Es macht einen Unterschied, ob man in einer Pressemitteilung – immerhin eine amtliche Nachricht – neutral und nicht werblich über einen Spatenstich in der eigenen Stadt berichtet oder den kompletten Werbekatalog eines Privatunternehmens über den Presseverteiler jagt. Wir als journalistisches Medium müssten so eine Veröffentlichung als Anzeige kennzeichnen, sonst bekämen wir rechtlichen Ärger. Die Stadt macht einfach, was sie will, und keinen kümmert es.

Quellen: Eigene Recherche, Pressemitteilungen der Stadt Mannheim und der Deutschen Telekom, Auskünfte des Regierungspräsidiums Karlsruhe, 1&1, Deutsche GLasfaser, Deutsche Telekom, Stadt Mannheim