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Städtischer Sparkurs trifft Familien in der Neckarstadt

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Eine städtische Kindertagesstätte in Neckarstadt-Ost (Symbolbild) | Foto: M. Schülke

Familien, Kultur und soziale Angebote in der Neckarstadt sind besonders vom geplanten Sparkurs Mannheims betroffen.

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Mannheim rechnet bis 2028 mit einem Haushaltsloch von mehr als 600 Millionen Euro. Die Stadt will mit einem „Zukunftshaushalt“ gegensteuern. Alle Dezernate sollen ab 2026 mindestens drei Prozent weniger ausgeben oder mehr einnehmen, später könnten es bis zu fünf Prozent werden. Ein Teil der Maßnahmen ist klar beziffert, vieles bleibt noch allgemein formuliert und erfordert weitere Beschlüsse. Schon jetzt zeigt sich: Familien, Kultur und soziale Angebote in der Neckarstadt werden besonders belastet.

Kita-Kosten steigen und Familienpass wird gekürzt

Mehrere Zuschüsse fallen weg oder steigen, was Familien Monat für Monat trifft. Die freiwillige Gebührenreduzierung von bis zu 105 Euro pro Kind und Monat, die derzeit für alle Kita-Jahre gilt – sowohl in städtischen Einrichtungen als auch bei freien Trägern –, soll gestrichen werden. Kita-Gebühren steigen zudem jährlich um ein Prozent, bis Eltern zwanzig Prozent der Kosten tragen. Verpflegungskosten in Kitas werden erhöht; zusätzlich entsteht eine Gebühr für Hygieneartikel wie Windeln. Zwar können Eltern auch eigene Windeln mitbringen, doch im Einzelhandel sind diese meist teurer.

Beispielrechnung:

Eine Familie mit einem Kita-Kind verliert künftig bis zu 105 Euro pro Monat. Kommen Gebührensteigerung und Essenskosten dazu, ergibt sich schnell eine Mehrbelastung von rund 130 Euro monatlich. Auf ein Jahr gerechnet sind das über 1.500 Euro zusätzlich. Mit zwei Kindern im Kindergartenalter können es mehr als 3.000 Euro im Jahr sein. Für Familien und Alleinerziehende in der Neckarstadt mit begrenztem Einkommen ist das eine erhebliche Belastung.

Viele Eltern teilen diese Sorgen. Der Zusammenschluss der Elternbeiräte von städtischen, katholischen und evangelischen Kitas (ZEBMA) kritisiert die geplante Streichung der Gebührenreduzierung scharf. Sie sprechen von einer erheblichen Mehrbelastung, die besonders Alleinerziehende und Familien aus der Mittelschicht treffe. Außerdem warnen sie, dass höhere Kosten die Teilhabe vieler Kinder gefährden und Frauen vom Arbeitsmarkt fernhalten könnten.

Auch der Familienpass wird umgebaut. Bisher übernahm die Stadt zentral rund 426.000 Euro pro Jahr, um die mit Gutscheinen bezahlten Eintritte und Tickets vollständig zu erstatten. Ab 2026 soll nur noch die Hälfte dieser Summe bereitstehen. Die Verantwortung für die Abrechnung wird direkt an die Einrichtungen übergeben, die die Gutscheine einlösen. Damit spart die Stadt 213.000 Euro jährlich – für Familien ist aber noch offen, welche Vergünstigungen in Zukunft bestehen bleiben.

Freizeit und Wege: Kleine Kosten, große Wirkung

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Herzogenriedbad | Foto: Stadt Mannheim

Bei Freizeitangeboten sieht die Stadt Einspar- und Einnahmeziele: Rund 367.000 Euro mehr bei den Bädern, 105.000 Euro bei Herzogenrieds Eissportzentrum und 58.000 Euro bei der Stadtbibliothek jährlich. Wie stark sich das auf Eintritts- oder Leihgebühren auswirken wird, ist bislang unklar. Schon 2024 hatte die Stadt die Eintrittspreise in den Freibädern zuletzt um jeweils 50 Cent pro Ticket erhöht.

Das Kurzstreckenticket im öffentlichen Nahverkehr entfällt ab 2026. Bisher kostete es 1,80 Euro für bis zu vier Haltestellen; künftig muss man den Normaltarif von etwa 2,60 Euro zahlen. Für viele Bewohner*innen der Neckarstadt, die regelmäßig kurze Strecken nutzen, bedeutet das einen Preissprung von fast 45 Prozent.

Kulturhäuser unter Kommerzdruck

Auch die Kultur ist betroffen, besonders Einrichtungen in der Neckarstadt. Das Junge Nationaltheater Mannheim (JNTM), mit Sitz in der Alten Feuerwache, muss Kürzungen im Produktionsetat von 34.100 Euro und beim Personal von 12.200 Euro verkraften. Der Bereich umfasst rund 30 Mitarbeitende, wodurch die Einsparungen rein rechnerisch etwa anderthalb Stellen entsprächen. Genau beziffern lässt sich derzeit nicht, welche Folgen die Kürzungen haben. Vermutlich wird es Abstriche bei der Qualität des Angebots, beim Aufwand der Ausstattung und bei der Zahl der Clubs geben, also jener Kinder- und Jugendtheatergruppen, die einen Kern der Arbeit bilden. Absehbar ist auch, dass die Kürzungen wohl oder übel durch unbezahlte Mehrarbeit der Beschäftigten ausgeglichen werden.

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Die Alte Feuerwache selbst soll künftig mehr verdienen: durch mehr kommerzielle Veranstaltungen, stärkere Vermietung von Räumen und sogar durch Einnahmen über das Awareness-Team, das ursprünglich für die Sicherheit und Unterstützung bei Veranstaltungen eingerichtet wurde. Dass ein solches Schutz- und Fürsorgeangebot nun als Einnahmequelle genutzt wird, markiert eine deutliche Kommerzialisierung des Hauses – weniger Raum bleibt für nicht-kommerzielle Kulturformen.

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Die Alte Feuerwache | Foto: M. Schülke

Auch die Lichtmeile erhält weniger Unterstützung: Der Zuschuss wird um 1.500 Euro pro Jahr gekürzt. Für ein ehrenamtlich organisiertes Kulturformat, das auf schmale Budgets angewiesen ist, kann bereits eine so kleine Summe Folgen haben.

Soziale Hilfen und Erinnerungskultur gekürzt

Auch im sozialen Bereich wird gekürzt. Der Integrationsfonds, aus dem Projekte wie Sprachförderung, Bildungsangebote, Gesundheitsprojekte und interkulturelle Begegnungen für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte bezahlt werden, sinkt um 10.700 Euro jährlich. Zuschüsse etwa für die Beratungsstelle Amalie oder den Hilfsfonds für Prostituierte fallen ebenso geringer aus.

Beim Marchivum sind ebenfalls Einschnitte geplant. Dort wird der Pfortendienst teilweise gestrichen, auf Franklin wird das „House of MAEMORIES – eine Ausstellung über die Geschichte der US-Garnison in Mannheim – nur eingeschränkt geöffnet. Bezahlte Stellen fallen damit weg und Aufgaben werden auf unbezahlte Freiwillige verschoben.

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Marchivum | Foto: M. Schülke

Unklare Folgen für Familien und Einrichtungen

Viele der Sparmaßnahmen haben Summen, doch oft nicht, wo genau gekürzt wird. Ob vergünstigte Tickets, kulturelle Workshops oder Betreuungszeiten erhalten bleiben, ist unklar. Für Familien in der Neckarstadt heißt das: Es könnte sein, dass manche Angebote verschwinden, andere teurer werden und manche nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehen – und damit, wie viel soziale und kulturelle Teilhabe möglich ist, hängt stark davon ab, was man sich noch leisten kann. Die Folgekosten für das demokratische Zusammenleben in der Stadt sind ebenso unabsehbar.

Soziale Lage in der Neckarstadt

Der Sozialatlas Mannheim 2021 und die Sozialraumtypologie 2022 ordnen Neckarstadt-West und Teile von Neckarstadt-Ost zu den sozial am stärksten belasteten Gebieten der Stadt. In diesen Stadtteilen leben überdurchschnittlich viele Haushalte, die auf Transferleistungen angewiesen sind. Besonders hoch ist der Anteil an Familien mit geringem Einkommen und an Alleinerziehenden.

Statistische Daten zur Kaufkraft verdeutlichen die Unterschiede: In Neckarstadt-West liegt die durchschnittliche Kaufkraft pro Einwohner bei rund 20.700 Euro pro Jahr, in Neckarstadt-Ost bei rund 22.500 Euro. Der Mannheimer Durchschnitt liegt bei etwa 26.300 Euro. Damit stehen die Menschen in der Neckarstadt im gesamtstädtischen Vergleich deutlich schlechter da.

Quellen: Beschlussvorlage und Anlagen im Bürgerinformationssystem, Pressemitteilung der Stadt Mannheim, Sozialatlas Mannheim 2021, Statistikstelle Mannheim, Mannheimer Morgen, eigene Recherchen