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Steuergeld für ein Elite-Dinner in luftiger Höhe

Ein elitäres Dinner hoch über Mannheim wirft Fragen zum Einsatz öffentlicher Mittel, zum Programm und zur Transparenz der Organisatoren auf.

Im Fernmeldeturm Mannheim haben sich vor wenigen Tagen ausgewählte Unternehmer*innen, Investor*innen und politische Akteur*innen zum „Frontline of Innovation Dinner“ getroffen. Die Organisatoren Matthias Storch und Süleyman Acar beschreiben den Abend auf ihrer Webseite als exklusives Treffen handverlesener Gäste. Sie sprechen dort von mehr als einer Milliarde Euro an Unternehmenswerten, die im Raum vertreten seien. Gleichzeitig stellte NEXT Mannheim neben einem Zuschuss von 5.000 Euro auch technische Unterstützung für die Bühne bereit. NEXT MANNHEIM ist die Dachmarke der Stadt Mannheim für Gründungsförderung, Innovation und Kreativwirtschaft. Der Gegensatz zwischen privater Selbstinszenierung und dem Einsatz öffentlicher Mittel prägt den gesamten Rahmen des Abends.

Ein elitäres Setting weit über den Köpfen der Stadt

Frühere Ausgaben des Dinners fanden unter anderem auch in der Mannheimer Christuskirche statt. Diesmal fand die Veranstaltung im Panoramageschoss des Fernmeldeturms statt und damit nicht nur sprichwörtlich weit über den Köpfen der Mannheimer Bevölkerung. Der Zugang war streng beschränkt. Nur geladene Gäste durften teilnehmen. Wie diese Auswahl erfolgte, bleibt vertraulich. Naheliegend ist, dass Geld und Macht eine zentrale Rolle spielten.

Die Stadt teilt in ihrer Auskunft mit, Oberbürgermeister Christian Specht habe nur ein Grußwort gehalten und „keine aktive Rolle“ übernommen. Bilder und Videos zeigen ihn jedoch auch am Tisch im Gespräch mit anderen Gästen. Eine klare Trennung zur Veranstaltung ist damit nicht ersichtlich.

Ein Imagefilm als kontrollierter Blick nach innen

Ein von den Veranstaltern veröffentlichter Imagefilm ist einer der wenigen Einblicke in den Abend. An den Anfang dieses Films haben die Organisatoren einen Satz gestellt, in dem Specht sagt: „Wir könnten mal so eine richtige Abrissparty machen“. Warum dieser Satz den Einstieg bildet, bleibt offen. Der Film zeigt eine sorgfältig inszenierte Atmosphäre mit Bühnenlicht, Musik und eng gefassten Gesprächsszenen.

Specht spricht im Film davon, dass das Dinner neue Perspektiven und mögliche Geschäftsideen ermögliche. Veranstalter Acar sagt, dass nur die richtigen Begegnungen mit den richtigen Leuten etwas bewegen könnten. Gemeint sind ersichtlich jene Personen mit Geld und Macht, die an diesem Abend versammelt waren. Gäste äußern im Film lobende Worte über die Stimmung und wiederholen Formulierungen, die eher an Werbebotschaften erinnern als an konkrete Inhalte.

Konkrete Ergebnisse oder Impulse für den Standort Mannheim nennt niemand. Auf der Webseite der Organisatoren finden sich ebenfalls keine Hinweise darauf, dass aus früheren Ausgaben des Dinners Projekte entstanden sind. Es scheint auszureichen, elitäre Netzwerke unter wohlhabenden Unternehmern zu pflegen. Man investiert und plant lukrative Exits.

Ein Programm, das irritiert

Zu den Rednern gehörte neben dem regionalen Unternehmer Harald Christ auch Jill Hardener. Die Organisatoren stellen sie als größte europäische OnlyFans-Creatorin mit hoher Reichweite, siebenstelligen Monatseinkünften und mit einem ungewöhnlichen Weg aus einer schwierigen Jugend in ein internationales Geschäftsmodell vor. OnlyFans ist eine Plattform, auf der Creator*innen Inhalte gegen Bezahlung anbieten, überwiegend aus dem erotischen bis pornografischen Bereich. Hardener verfügt über Erfahrung in der Creator Economy, die sie sicher fundiert darstellen kann. Doch ihr Geschäftsmodell unterscheidet sich deutlich von dem, was die meisten regionalen Unternehmen oder Startups bewegt. Offen bleibt daher, warum die Veranstalter ausgerechnet sie für diesen Rahmen auswählten und welchen fachlichen Mehrwert die Gäste aus ihrem Vortrag ziehen sollten. Auf die Geschäftsmodelle der meisten in Mannheim vertretenen Unternehmen oder Startups ist ein solches Modell wohl kaum übertragbar.

Ein zweites Bild am selben Abend

Für die regionale Wirtschaft hätte womöglich eine Expertin wie Maria Pentschev nähergelegen, die am selben Abend im GIG7 über Finanzierung und Gründungspraxis sprach. Dort veranstaltete NEXT Mannheim einen Gründerinnenstammtisch, der sich an gründende Frauen richtete und praktische Impulse vermittelte. Der Fokus lag auf konkreten Skills, Austausch und Female Empowerment und damit deutlich näher an den Bedürfnissen der lokalen Gründerszene als das Glamour-Event im Fernmeldeturm, das vor allem eine überwiegend männlich dominierte High Society anzog. Auffällig ist, dass Christian Sommer, der Leiter von NEXT Mannheim, beim exklusiven Dinner teilnahm, während seine Einrichtung im GIG7 ein offenes und inhaltlich greifbares Angebot für Gründerinnen anbot. Das wirft Fragen nach der Prioritätensetzung innerhalb der städtischen Innovationsförderung auf.

Ein Kreis, der sich abschottet

Es stellt sich als schwierig heraus, mehr über dieses Dinner zu erfahren. Die Organisatoren haben auf eine Presseanfrage nicht reagiert, obwohl sie nachweislich gelesen wurde. Andere beteiligte Personen schweigen ebenfalls oder verweisen auf Vertraulichkeit. Gleichzeitig tauchen in sozialen Netzwerken überschwänglich positive Beiträge auf, begleitet von professionell produzierten Hochglanzfotos. Die Bilder zeigen rote Teppiche, gedämpftes Licht, teure Sportwagen eines Sponsors und Gruppen, in denen überwiegend männliche Führungspersonen stehen.

Unter denjenigen, die solche Fotos veröffentlicht haben, befinden sich Christian Sommer, Leiter von NEXT Mannheim, und Christian Franke aus der Geschäftsführung der GBG. Beide betonen in ihren Beiträgen besondere Eindrücke, bleiben aber konkrete Erklärungen schuldig. Man fragt sich, welchen Nutzen eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft aus einem exklusiven Netzwerkabend mit einer Creatorin erotischer Inhalte zieht.

Auf einem Gruppenfoto steht Specht in einer Runde, in der auch sein Vorgänger Peter Kurz zu sehen ist. Die Aufnahmen zeigen eine eng verzahnte Gruppe aus Wirtschaft und Politik, die sich nach außen weitgehend abschirmt. Für Menschen, deren Steuergeld den Zuschuss mitfinanziert hat, bleibt unklar, was sie von einem solchen Abend haben sollen. Wenn dieses Dinner wirklich ein Gewinn für Mannheim darstellen soll, bleibt offen, warum niemand die Gelegenheit nutzt, einem Krankenpfleger oder einer Taxifahrerin zu erklären, welchen konkreten Vorteil sie daraus ziehen.

Eine Veranstaltung ohne unabhängige Einordnung

Trotz der Teilnahme des Oberbürgermeisters, der Präsenz städtischer Unternehmen und des Einsatzes öffentlicher Mittel gab es erstaunlicherweise keine erkennbare lokale Berichterstattung. Der Mannheimer Morgen erwähnte das Dinner nicht, obwohl die Geschäftsführerin der HAAS Media GmbH, Yvonne Wenzel, selbst teilnahm und auf LinkedIn schrieb, sie sei dankbar, „an dieser tollen Veranstaltung teilhaben“ zu dürfen. Sie berichtete, erste Ideen seien bereits „in 218 Metern Höhe“ entstanden und kündigte an, sie werde sich dafür einsetzen, dass aus dem Mutmacher-Abend ein „Mitmacher-Abend“ werde.

Ein Wiedersehen gab es für Wenzel zudem mit einem früheren Kollegen aus ihrem Verlagshaus. Der frühere Chefredakteur des Mannheimer Morgen, Karsten Kammholz, moderierte den Abend. Als Journalist war es seine Aufgabe, den Mächtigen dieser Stadt kritisch auf die Finger zu schauen. Nun begleitete er ein privates Netzwerkformat, dessen Transparenz gering ist und dessen Zugang streng begrenzt bleibt. Gerade deshalb wäre eine unabhängige Einordnung durch Medien wichtig gewesen.

An solchen Abenden verschwimmen die Grenzen zwischen politischen, wirtschaftlichen und privaten Interessen leicht. Wo exklusive Netzwerke entstehen und öffentliche Mittel im Spiel sind, braucht es Räume, in denen Entscheidungen nachvollziehbar bleiben. Die Frage, wie viel Distanz Politik und Verwaltung zu solchen Formaten wahren sollten, bleibt offen.

Quellen: Eigene Recherche, Auskunft der Stadt Mannheim, LinkedIn, Veranstaltungswebseite