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Stadtentwicklung

Stadtplanung für Politikverdrossene?

Am 26. September war die Multihalle Schauplatz einer Fachtagung zum Thema Stadtentwicklung unter dem Titel „1. Mannheimer Placemaking Forum“.

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Ausgerichtet wurde die Veranstaltung nicht direkt von der Stadt Mannheim, sondern vielmehr von deren Büro für Förderung kreativwirtschaftlicher Strukturen „Startup Mannheim“, zusammen mit dessen Heidelberger Gegenstück „Kreativwirtschaft Heidelberg“.

Platz da!

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Das 1. Mannheimer Placemaking Forum fand am 26. September 2019 in der Multihalle statt | Foto: Startup Mannheim / Steffen Baumann

Ein kurzer Ankündigungstext auf der Webseite der Multihalle behauptet kühn: „Placemaking ist gerade in aller Munde“. „Habe ich etwas verpasst?“ mag sich manch eine Leserin gefragt haben, die zufällig über die Veranstaltungsankündigung gestolpert ist. Die Antwort lautet Ja und Nein. Der Begriff des Placemakings hat in den letzten Jahren tatsächlich große Verbreitung gefunden, jedoch beschränkt sich seine Popularität auf Kreise von Architekt*innen, Urbanist*innen und anderer Protagonist*innen, die beruflich mit der Gestaltung von städtischem Raum zu tun haben. Bedenkt man aber, dass Placemaking Konzepte umfasst, die sich um Partizipation und Integration möglichst breiter Teile der städtischen Gesellschaft in die Gestaltung öffentlicher Räume drehen, dann ist es schon interessant, dass mit dem Begriff bisher nur Fachleute etwas anfangen können. Wenn also eine Veranstaltung zu diesem Thema die Gestalt einer Fachtagung für Creative Professionals annimmt, dann ist das nicht unbedingt schlimm, aber in jedem Fall symptomatisch für die Probleme, vor die sich eine integrative Stadtpolitik heutzutage gestellt sieht.

Aber beginnen wir von vorne.

Was ist überhaupt „Placemaking“?

Wie bei vielen suggestiven, theoretischen Begriffen, gibt es keine einheitliche Definition dieses Begriffs, jedoch lässt sich ein gemeinsamer Kern aller seiner Verwendungen herausarbeiten. Es ist die Idee, dass ein Ort im empathischen Sinn nichts selbstverständliches ist, sondern aktiv von dessen Nutzer*innen und/oder Einwohner*innen hervorgebracht werden muss. Am besten lässt sich dieses Konzept vielleicht im Vergleich zum Begriff des Nicht-Ortes verdeutlichen, welchen der Soziologe Marc Augé in den 1990er Jahren prägte1: Ein Nicht-Ort ist ein Produkt der modernen Industrie- und Kommunikationsgesellschaft, die die Entstehung von Räumen befördert, welche keine direkte Bedeutung für den Menschen haben, sondern nur funktionalen Zwecken dienen. Meist sind Nicht-Orte Orte des Transports und der Produktion, wie etwa Autobahnen, Industriegebiete oder Flughäfen. Diese Orte dienen nicht primär dem angenehmen Aufenthalt. Man hält sich hier nur aus zweckmäßigen Gründen und nur zeitweise auf. Orte im eigentlichen Sinn sind für Augé Räume, die nicht nur funktionale Strukturen aufweisen, sondern an welche Menschen auch seelisch und emotional anknüpfen können. In anderen Worten: Orte sind für Menschen sinnstiftend, während Nicht-Orte sinnlos erscheinen und sich somit auch negativ auf das psychische Wohlbefinden der sich an ihnen aufhaltenden Menschen auswirken.

Theorie so grau wie die moderne Großstadt

Theorien des Placemakings scheinen von der nicht ganz falschen Idee auszugehen, dass zeitgenössische Städte insgesamt eine Tendenz zum Nicht-Ort aufweisen. Alexander Mitscherlich schrieb darüber in seiner klassischen Studie „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“ 2 für den Kontext der alten BRD. Nach dem zweiten Weltkrieg habe man in Deutschland die Chance verpasst, eine am Menschen orientierte Stadtplanung durchzusetzen. Stattdessen sei es zu einer Wucherung karger Vorstädte vom Reißbrett und der Unterwerfung der Innenstädte unter das Diktat des Konsums und der „autogerechten Stadt“ gekommen. Mitscherlichs Diagnose ist auch heute noch gültig. Denn seit es wieder angesagt ist, in den Innenstädten zu leben, wird von stadtplanerischer Seite versucht, die Verfehlungen der Nachkriegszeit zurückzudrehen. Solange die Innenstädte nur als Freiluft-Einkaufszentren fungierten, war es relativ egal, ob sie im engeren Sinn als lebenswert bezeichnet werden konnten. Nun aber, da viele Stadtbewohner*innen am liebsten Vorstadtidyll und Großstadtflair vereinbaren würden, wird der von Mitscherlich beklagte „selbstsüchtige Rationalismus“, in dessen Geist die alten Innenstädte errichtet wurden, zum Problem.

Gekommen, um zu bleiben

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Der Berliner Urbanist Dr. Sebastian Schlueter | Foto: Startup Mannheim / Steffen Baumann

Der Berliner Urbanist Sebastian Schlueter gibt in seinem Vortrag im Rahmen des Forums eine kleine Einführung in einige Anwendungsfälle des Placemaking-Begriffs. Er unterscheidet dabei scharf zwischen guten und schlechten Placemaking-Projekten. Gute Projekte dieser Art sind ihm zufolge auf Nachhaltigkeit angelegt, sind dynamisch und anpassungsfähig und sorgen für die Integration aller für die jeweilige Lokalität relevanter Akteur*innen. Schlechte hingegen öffnen in der Art eines „Pop-Up-Stores“ für kurze Zeit, um dann den erschlossenen Raum wieder sich selbst zu überlassen. Sie besitzen kein übergreifendes Konzept, wissen am Ende gar nicht, was längerfristig mit dem erschlossenen Raum anzufangen wäre. Für letztere Situation zieht Schlueter den Flughafen Tempelhof in Berlin als Beispiel heran. Hier habe es eine starke Bürgerinitiative zum Erhalt der Fläche gegeben, mit dem Ergebnis, dass diese nun von einem kleinen Teil der Berliner Bevölkerung als Erholungsstätte genutzt wird, sonst aber zu nichts zu gebrauchen sei und auch nicht mehr für weitergehende Projekte angetastet werden dürfe. Wie aber soll man besser machen? Schlueter betont, dass der Erfolg jedes Placemaking-Projekts mit der umfassenden Aktivierung von Akteur*innen im Vorfeld des Projekts steht und fällt. Die Akteur*innen, seien es Einwohner*innen oder Gewebetreibende, müssen an der Gestaltung des neu erschlossenen Raumes im Rahmen eines Mitbestimmungsprozesses von Anfang an teilhaben. Letztlich, so bestätigt Schlueters Vortrag, handelt es sich um den Versuch, stadtplanerische Initiative vom städtischen Verwaltungsapparat abzukoppeln und weitestgehend den Betroffenen selbst zu überlassen.

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Anonymität moderner Stadträume überwinden

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Auch der Neumarkt soll kein „Nicht-Ort“ mehr sein | Foto: M. Schülke

Dass Placemaking zudem nicht nur als materieller Eingriff in städtische Infrastrukturen, sondern auch als eine ästhetische Praxis zu verstehen ist, die einen frischen Blick auf städtische Räume als Orte der sozialen Interaktion ermöglichen soll, zeigt zudem die Einladung der slowakischen Konzeptkünstlerin Nina Mikušková zum Mannheimer Forum. Mikušková hat das Kartenspiel „Been There Together“ entwickelt, das auch in digitalem Format abrufbar ist und das die Spieler*innen dazu ermuntern soll, durch kleine Aufgaben ihre Umgebung zu erkunden und in Kontakt zu den gerade anwesenden Mitmenschen zu treten. Auch hier zeigt sich, dass Placemaking im erweiterten Sinn darauf abzielt, die Anonymität moderner Stadträume zu überwinden. Durch gestalterische Interventionen einerseits, durch einen „inneren“ Perspektivwechsel andererseits.

Wer sich „Placemaking“ leistet

Wie steht es nun um die faktische Realisierung solcher Ansätze? Aus Athen und Wuppertal sind mit Natassa Dourida und David Becher Vertreter*innen laufender Projekte eingeladen worden, die sich als Anwendungsfälle von Placemaking begreifen. Dourrida hat in Athen die Initiative „Communitism“ mitbegründet, während Becher in Wuppertal beim Projekt „Utopiastadt“ aktiv ist. Beide Projekte weisen erstaunliche Parallelen auf. Es handelt sich um Gemeinschaftszentren mit gemeinnützigen Angeboten wie Werkstätten und Ateliers sowie Bars und Kulturangebot, die jeweils aus dem Zusammenschluss von Kreativarbeiter*innen zu Co-Working-Spaces hervorgegangen sind. In Athen wie Wuppertal bildete sich so ein Kern von finanziell handlungsfähigen Aktiven, welche die Eigentümer*innen der jeweiligen Immobilien zur Zusammenarbeit überzeugen konnten. Nach und nach expandierte so der kreativwirtschaftliche Kern zu einem breiter aufgestellten Projekt mit sozialem Anspruch. Im Falle Wuppertals wurde ein Teil der bespielten Fläche gekauft. In Athen ist man wohl nach wie vor auf den guten Willen der Eigentümer*innen angewiesen. Sowohl Dourida als auch Becher betonen die Offenheit der von ihnen vorgestellten Projekte. Sie dienen keinem eindeutigen Ziel, sondern verstehen sich als experimentelle Plattform für verschiedene Akteure, die verschiedene Ziele verfolgen.

Stadtplanung für Politikverdrossene?

Obwohl bei „Utopiastadt“ und „Communitism“ durch die historisch aufgeladene Namensgebung mit der Aura politischer Utopien gespielt wird, sind diese Projekte ganz klar unpolitisch. Die unpolitische Haltung, die eine harmonische Zusammenarbeit mit Immobilieneigentümer*innen ermöglicht, scheint sogar der Schlüssel zu ihrem Erfolg zu sein. Nimmt man die Projekte aber bezüglich ihres sozialen Impetus und ihres Willens zur Verbesserung der Lebensqualität für alle Einwohner*innen der jeweiligen Städte – nicht nur eines privilegierten Klientels – ernst, stellt sich die Frage, ob ihre unpolitische Haltung und die Einbindung in privatwirtschaftliche Finanzierungsmodelle ausreicht, um sie zu Ausgangspunkten des Widerstands gegen den Ausverkauf der Stadt zu machen.

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Das Zwischennutzungsprojekt ALTER | Foto: Alexander Münch (amfoto.biz)

In anderen Worten: Können Placemaking-Projekte aktiver Bestandteil des Kampfs um das Recht auf Stadt in Zeiten deren Ausverkaufs werden? Ausgeschlossen ist das nicht, wie etwa das Hamburger Projekt Planbude zeigt, das auf der ersten Blick ganz ähnlichen Charakter wie die im Rahmen des Mannheimer Forums vorgestellten Initiativen hat. Es handelt sich um ein von Einwohner*innen in Zusammenarbeit mit Architekt*innen gemeinschaftlich konzipiertes Nachbarschaftszentrum in St. Pauli. Der Unterschied hierbei ist, dass die Planbude aus der Protestbewegung gegen den Abriss von sozialem Wohnraum hervorgegangen ist und sich ganz klar als Ort politischen Widerstands begreift. Eine solche Position fehlt in Mannheim bisher.

Kreativwirtschaft statt politischer Verantwortung

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Wulf Kramer (orangene Weste) vom Mannheimer Architekturbüro yalla yalla | Foto: Startup Mannheim / Steffen Baumann

Niemand scheint diese Problematik besser verstanden zu haben als Wulf Kramer vom Mannheimer Architekturbüro yalla yalla. Obwohl Kramer mit dem Projekt ALTER ein sehr erfolgreiches, lokales Beispiel für Placemaking vorzuweisen hätte, an welchem sein Büro maßgeblich beteiligt war, konzentriert er sich in seinem Vortrag auf die Leerstellen des Konzepts. Wieso fragt er, geraten gerade „wir“ in jüngerer Zeit in die Position inklusive Stadtgestaltung zu organisieren? Mit „wir“ sind an dieser Stelle offenbar die Vertreter*innen der Kreativwirtschaft gemeint, die das Publikum des Forums bilden. Seine Antwort fällt ganz klar aus: weil es die Politik nicht tut.

Wer entscheidet?

Kramer trifft damit einen zentralen Punkt hinsichtlich der Rolle der Kreativwirtschaft in der modernen Stadt. Für Vertreter*innen der Stadtpolitik sind kreativwirtschaftliche Start-ups und die von ihnen initiierten Projekte wundersame Allheilmittel: Sie versammeln hervorragend ausgebildete, motivierte und dynamische Menschen, die in der Lage sind, lokales Wissen zu aktivieren und mit minimalen Mitteln maximale Wirkung zu erzielen. Alles Felder, auf welchen konventionelle Stadtplanung sich traditionell schwer tut. Dass die soziale Umgestaltung der Stadt damit an privatwirtschaftlich agierende Akteur*innen ausgelagert wird, muss dabei dennoch nachdenklich stimmen. Kramer fügt hinzu, dass durch dieses Zusammenwirken von Stadtpolitik und Kreativszene nur Projekte gefördert werden, die den politischen Akteure*innen Vorteile einbringen. Wer aber formuliert die Anliegen und unterstützt Projekte, die von den Akteur*innen der Politik ausgeblendet oder marginalisiert werden?
Man muss den in Mannheim versammelten Placemakern nicht ihre Aufrichtigkeit hinsichtlich ihrer sozialen Anliegen absprechen, um ihren Mangel an politischem Profil und ihrer Abhängigkeit von Start-up-Modellen für bedenklich zu halten. Wenn die Kreativbranche sich aber auf Dauer als progressive Akteurin im Kampf um Recht auf Stadt positionieren will, wird sie nicht umhin kommen sich und ihre Projekte zu politisieren und gegenüber einer bloßen harmonisch-inklusiven Rhetorik auch unbequeme Positionen gegenüber der Stadtpolitik zu beziehen.


(Fotos soweit nicht anders angegeben: Startup Mannheim / Steffen Baumann)

  1.  Augé, Marc: „Nicht-Orte“ C. H. Beck, München 2012
  2. In diesem noch immer lesenswerten Bändchen hat unsere Stadt einen Gastauftritt: „Zwischen einigen Dutzend originalwüchsiger Städte läßt sich ein Karlsruhe und Mannheim ertragen. Wenn aber die Rastereinteilung zum Siedlungsmuster schlechthin wird, wie in den Vereinigten Staaten, dann hat man die Voraussetzung für eine kaum mehr veränderbare Nivellierung und Konformisierung geschaffen.“ Siehe Mitscherlich, Alexander: „Die Unwirtklichkeit unserer Städte.“ Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1965
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1 Kommentar zu “Stadtplanung für Politikverdrossene?

  1. Christian Schmidt

    1) An dieser Stelle möchte ich Wendy Brown empfehlen. Sie nimmt Foucaults 1979er Vorlesungen zum Neoliberalismus auf, korrigiert sie an entscheidenden Stellen und schreibt sie fort, in dem sie vor allem eine Frage stellt, die Foucault ignoriert: Was macht der Neoliberalismus mit der Demokratie? Dort zeigt sich, neben anderen Problemen, ein Einsickern konsensorientierter Managementmethoden, die versch. gesellschaftliche Gruppen als „Stakeholder“ begreift, deren Interessen in einem partizipativen Aushandlungsprozess harmonisiert werden sollen. Für Brown sind diese Verwaltungsformen nicht nur apolitisch, sondern undemokratisch, weil sie das Machtungleichgewicht zwischen den beteiligten Akteuren verschleiert.

    2) Sebastian Schlüter spricht von „cross-sector cooperation“ zwischen drei Sektoren: Dem öffentlichen (zumeist städtische Verwaltung), dem privaten (Start-Ups, lokales Gewerbe, aber auch Investmentkapital und Eigentümer) Sektor und der Zivilgesellschaft. Letztere hat oft keine eigenen Entscheidungsfindungsprozesse und Repräsentationsorgane ausgebildet, sondern wird durch NGOs repräsentiert, deren Legitimation je nach Fall durchaus fragwürdig sein kann. Zu stellen sind hier m.E. drei Fragen: Von wem geht erstens bei solchen Gestaltungsprozessen die Initiative aus? Wer wählt zweitens die beteiligten Akteure aus und drittens nach welchen Kriterien?

    3) Privater und öffentlicher Sektor können auf eigene, institutionalisierte und rechtlich abgesicherte Machtressourcen zurückgreifen, der Zivilgesellschaft bleiben jedoch keine derart gefestigten Machtmittel, um ihre Interessen durchzusetzen. In einem konsensorientierten Prozess bleibt diese Asymmetrie so lange unsichtbar, bis ein Interessenkonflikt manifest wird. Dann ist es jedoch meist bereits zu spät, um eine geeignete Gegenmacht aufzubauen, die mangels institutionalisierter Mittel auf die (oft langwierige und selbst konfliktbehaftete) Selbstorganisation sowie die Schaffung einer wohlwollenden Öffentlichkeit angewiesen ist.

    4) Finden diese Prozesse nicht in einem Vakuum statt, sondern in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem, dessen Reaktion auf solche Prozesse in deren Planung mitbedacht werden muss. Da ist nicht nur das Signal einer möglichen Aufwertung an das Investitionskapital, sondern auch die Möglichkeit einer künftigen Kommodifizierung der jetzt etwa als Commons geschaffenen Räume und Ressourcen oder die Aneignung der Kontrolle durch privilegierte Akteure usw. Diesen Gefahren kann m.E. nur durch eine nachhaltige dekommodifizierung städtischer öffentlicher sowie Wohnräume begegnet werden, was einen Bruch mit der vorgefunden Eigentums- sowie Verwaltungsordnung verlangt. Daran dürften private Akteure kein, öffentliche Akteure nur ein sehr geringes Interesse haben. Das Ergebnis eines konsensorientierten Aushandlungsprozesses kann unter diesen Umständen nur eine Lösung sein, die niemandem weh tut.

    Das erklärt 5) warum solche Modelle bei politischen Akteuren so beliebt sind. Wenn alles gut läuft kommt ein schickes neues Vorzeigeprojekt heraus, im schlimmsten Fall kann man das Projekt am Unwillen eines beteiligten Akteure scheitern lassen.

    6) Den „Kreativen“ (ist ja auch ein sehr weit gefasster Begriff) will ich da, so wie der Autor auch, nur bedingt einen Vorwurf machen. Überwiegend scheint das Problembewusstsein ja vorhanden, und die Absichten gut zu sein. Sie werden aber auch nicht einfach nur instrumentalisiert, sondern arbeiten innerhalb eines sehr spezifischen Horizonts, der eben, wie Du sagst, die politische Dimension weitgehend ausblendet bzw. auf Beteiligungsbereitschaft und Verständnis für die Handlungsimperative der jeweils anderen Akteure reduziert. Das muss nicht heißen, dass das Ergebnis nicht uneingeschränkt positiv sein kann und das Leben von sehr vielen Leuten verbessert – worum es ja letztlich immer gehen sollte. Vor allem aber fände ich es wertvoll, wenn solche Experten für eine Stadtpolitik von unten gewonnen werden können, bei der sich Stadtbewohner öffentliche und privatwirtschaftliche Räume demokratisch aneignen. Das Know-how, wie solche Räume gestaltet werden können, ist in diesen Fällen Gold wert, und leider in den jeweiligen Bewegungen auch eher Mangelware.

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