Auf dem Podium v.l.n.r.: Janina Klabes, Eric Carstensen, Angelika Baumgartner, Markus Sprengler, Gerhard Fontagnier, Inka Neubert, Valentina Jaffé, Tilmann Pröllochs | Foto: Alexander Kästel (rentadesigner.de)
Sparzwänge bedrohen Mannheims Kulturlandschaft – freie Bühnen und Bildungsstätten sehen ihre Existenz gefährdet.
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Wenn in Mannheim über die Zukunft der Kulturförderung diskutiert wird, sitzen am Podium nicht nur freie Künstlerinnen und Künstler. Auch Akteure mit engen Verbindungen zur Stadtverwaltung prägen das Bild. Bei der Diskussion in der Alten Feuerwache standen somit nicht nur Inhalte, sondern auch die strukturelle Nähe vieler Beteiligter im Raum.
Doppelter Gastgeber an diesem Abend: Christian Handrich | Foto: Alexander Kästel (rentadesigner.de)
Veranstalter des Abends war die Regionalgruppe Rhein-Neckar der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V., vertreten durch Matthias Rauch und Christian Handrich. Rauch ist Cultural Innovation Officer und Leiter des Bereichs Cultural Innovation & Creative Economy bei der städtischen Gesellschaft NEXT Mannheim. Handrich ist Geschäftsführer der Alten Feuerwache, einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft der Stadt. Beide Veranstalter sind damit städtische Angestellte, was einen offensichtlichen Interessenkonflikt nahelegt.
Auf dem Podium diskutierten Inka Neubert und Angelika Baumgartner, die freie Theater leiten, die institutionell von der Stadt Mannheim gefördert werden. Valentina Jaffé, freie Künstlerin und Sprecherin des unabhängigen Mannheimer Rats für Kunst und Kultur, engagiert sich für die Belange der freien Szene ebenso wie für institutionelle Akteure. Tilmann Pröllochs, Intendant des Nationaltheaters Mannheim, ist als Leiter eines städtischen Eigenbetriebs direkt bei der Stadt angestellt. Eric Carstensen, Gründungsmitglied der Akademie der Bildenden Künste, arbeitet daran, die künstlerische Ausbildung in der Stadt nach der Insolvenz der Freien Kunstakademie Mannheim aufrechtzuerhalten und wird künftig auf kommunale Unterstützung angewiesen sein.
Zu den politischen Stimmen gehörten Stadtrat Gerhard Fontagnier (Grüne) und der ehemalige SPD-Stadtrat Markus Sprengler, der zwischen 2008 und 2014 als erster Popbeauftragter Mannheims bei der Stadt angestellt war. Die Moderation übernahm Janina Klabes, die zwischen 2010 und 2014 das Clustermanagement Musikwirtschaft bei einer städtischen Tochtergesellschaft leitete und privat nach wie vor eng verbunden ist.
Eingeladen waren alle Fraktionen des Mannheimer Gemeinderats. Gekommen waren lediglich Vertreterinnen und Vertreter der Grünen und der SPD, die jeweils Podiumsplätze besetzten. Das Fernbleiben von CDU und Oberbürgermeister Christian Specht wurde im Publikum kritisch vermerkt. Auch Kulturbürgermeister Thorsten Riehle (SPD) fiel durch seine Abwesenheit auf; er war an diesem Abend verhindert.
Als weiteres prominentes Gesicht der Kulturszene und des Gemeinderats fehlte Birgit Reinemund (FDP), die zuletzt als Vorsitzende des Trägervereins die Insolvenz der Freien Kunstakademie Mannheim anmelden musste.
Haushaltssperre bedroht freiwillige Leistungen
Die finanzielle Ausgangslage schilderte Moderatorin Klabes nüchtern: Die Stadt Mannheim müsse auf Anweisung des Regierungspräsidiums 160 Millionen Euro einsparen, möglicherweise steige der Betrag auf 200 Millionen Euro. Betroffen seien auch die freiwilligen Leistungen, zu denen die Kulturförderung zählt.
Gerhard Fontagnier erklärte laut Mannheimer Morgen: „Wenn man diese bunte, vielfältige Kulturlandschaft der Stadt erhalten will, muss man sich zusammentun und muss sich auch wehren.“ Markus Sprengler räumte laut Mannheimer Morgen ein: „Wir als Künstler waren zu leise.“
Existenzängste auf freien Bühnen
Die freien Theater und Kunstinitiativen blicken mit großer Sorge auf die kommenden Jahre. Inka Neubert vom Theaterhaus G7 forderte laut Mannheimer Morgen, „dass man mit den Kulturschaffenden redet“, bevor Kürzungen erfolgen. Angelika Baumgartner vom Theater Oliv schilderte die angespannte Lage ihres Hauses: „Ich denke, es wird darauf hinauslaufen, dass wir weniger bis keine Veranstaltungen mehr machen können“, sagte sie laut Mannheimer Morgen.
Eric Carstensen berichtete, dass der Betrieb der neuen Akademie derzeit nur durch ehrenamtliches Engagement möglich sei. Er betonte laut Mannheimer Morgen: „Das ist eine Bildungseinrichtung, und diese Bildungseinrichtung kann eine Stadt nicht einfach kaputtgehen lassen.“
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Fehlende Diskussion über soziale Folgen
Eine wichtige Dimension blieb weitgehend unbeachtet: Wenn Kulturbetriebe keine Gagen mehr zahlen und keine Aufträge vergeben können, droht vielen Kulturschaffenden der soziale Abstieg. Wegbrechende Einnahmen können langfristig zu Abhängigkeit von kommunalen Unterstützungsleistungen führen, psychische Belastungen verschärfen die Situation zusätzlich. Solche gesellschaftlichen Folgekosten spielen bei öffentlichen Debatten über Kulturkürzungen jedoch selten eine Rolle.
Politischer Schulterschluss gefordert
Neben den Sorgen kleinerer Einrichtungen ging es auch um die Rolle großer Kulturhäuser. Tilmann Pröllochs, Intendant des Nationaltheaters Mannheim, unterstrich die Notwendigkeit von Solidarität innerhalb der Szene. Er sagte laut Mannheimer Morgen: „Ja, wir müssen da zusammenhalten, müssen uns dagegenstemmen, um möglichst viel Kultur auch in schwierigen Zeiten zu erhalten.“
Das Nationaltheater steht selbst vor Herausforderungen: Die geplante Generalsanierung hat sich in den vergangenen Jahren erheblich verteuert, was zusätzlichen Druck auf den städtischen Haushalt ausübt.
Valentina Jaffé warb für stärkere Selbstorganisation und betonte die Wichtigkeit des Rats für Kunst und Kultur, der unabhängig von der Stadtverwaltung agiert und die Interessen der gesamten Kulturlandschaft vertritt.
Der Begriff „Banden bilden“ wurde mehrfach als zusammenfassendes Ergebnis des Abends aufgegriffen: Kulturschaffende sollen spartenübergreifend Solidarität üben und gemeinsam für den Erhalt der Kulturförderung eintreten – auch wenn einzelne davon kurzfristig nicht profitieren.
Kann Kultur ohne öffentliche Förderung bestehen?
Die Diskussion offenbarte eine fundamentale Abhängigkeit der Mannheimer Kulturlandschaft von kommunaler Unterstützung. Angesichts der angespannten Haushaltslage bleibt offen, ob die Vielfalt der freien Kultur, kleiner Theater und künstlerischer Bildungsprojekte ohne massive öffentliche Förderung überleben kann.
In den vergangenen Jahrzehnten haben viele Akteure der Mannheimer Kulturszene von städtischer Unterstützung profitiert oder sind auf diese angewiesen. Bei der Diskussion in der Alten Feuerwache traten zudem zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter auf, die direkt bei der Stadt Mannheim oder ihren Tochtergesellschaften angestellt sind.
Angesichts dieser engen personellen und finanziellen Verbindungen stellt sich die Frage, wie viel unabhängige Kritik, neue Impulse oder eine grundlegende Neuausrichtung der Kulturförderung in Mannheim überhaupt noch erwartet werden können.
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Sparzwänge bedrohen Mannheims Kulturlandschaft – freie Bühnen und Bildungsstätten sehen ihre Existenz gefährdet.
Wenn in Mannheim über die Zukunft der Kulturförderung diskutiert wird, sitzen am Podium nicht nur freie Künstlerinnen und Künstler. Auch Akteure mit engen Verbindungen zur Stadtverwaltung prägen das Bild. Bei der Diskussion in der Alten Feuerwache standen somit nicht nur Inhalte, sondern auch die strukturelle Nähe vieler Beteiligter im Raum.
Veranstalter des Abends war die Regionalgruppe Rhein-Neckar der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V., vertreten durch Matthias Rauch und Christian Handrich. Rauch ist Cultural Innovation Officer und Leiter des Bereichs Cultural Innovation & Creative Economy bei der städtischen Gesellschaft NEXT Mannheim. Handrich ist Geschäftsführer der Alten Feuerwache, einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft der Stadt. Beide Veranstalter sind damit städtische Angestellte, was einen offensichtlichen Interessenkonflikt nahelegt.
Auf dem Podium diskutierten Inka Neubert und Angelika Baumgartner, die freie Theater leiten, die institutionell von der Stadt Mannheim gefördert werden. Valentina Jaffé, freie Künstlerin und Sprecherin des unabhängigen Mannheimer Rats für Kunst und Kultur, engagiert sich für die Belange der freien Szene ebenso wie für institutionelle Akteure. Tilmann Pröllochs, Intendant des Nationaltheaters Mannheim, ist als Leiter eines städtischen Eigenbetriebs direkt bei der Stadt angestellt. Eric Carstensen, Gründungsmitglied der Akademie der Bildenden Künste, arbeitet daran, die künstlerische Ausbildung in der Stadt nach der Insolvenz der Freien Kunstakademie Mannheim aufrechtzuerhalten und wird künftig auf kommunale Unterstützung angewiesen sein.
Zu den politischen Stimmen gehörten Stadtrat Gerhard Fontagnier (Grüne) und der ehemalige SPD-Stadtrat Markus Sprengler, der zwischen 2008 und 2014 als erster Popbeauftragter Mannheims bei der Stadt angestellt war. Die Moderation übernahm Janina Klabes, die zwischen 2010 und 2014 das Clustermanagement Musikwirtschaft bei einer städtischen Tochtergesellschaft leitete und privat nach wie vor eng verbunden ist.
Eingeladen, aber nicht erschienen
Eingeladen waren alle Fraktionen des Mannheimer Gemeinderats. Gekommen waren lediglich Vertreterinnen und Vertreter der Grünen und der SPD, die jeweils Podiumsplätze besetzten. Das Fernbleiben von CDU und Oberbürgermeister Christian Specht wurde im Publikum kritisch vermerkt. Auch Kulturbürgermeister Thorsten Riehle (SPD) fiel durch seine Abwesenheit auf; er war an diesem Abend verhindert.
Als weiteres prominentes Gesicht der Kulturszene und des Gemeinderats fehlte Birgit Reinemund (FDP), die zuletzt als Vorsitzende des Trägervereins die Insolvenz der Freien Kunstakademie Mannheim anmelden musste.
Haushaltssperre bedroht freiwillige Leistungen
Die finanzielle Ausgangslage schilderte Moderatorin Klabes nüchtern: Die Stadt Mannheim müsse auf Anweisung des Regierungspräsidiums 160 Millionen Euro einsparen, möglicherweise steige der Betrag auf 200 Millionen Euro. Betroffen seien auch die freiwilligen Leistungen, zu denen die Kulturförderung zählt.
Gerhard Fontagnier erklärte laut Mannheimer Morgen: „Wenn man diese bunte, vielfältige Kulturlandschaft der Stadt erhalten will, muss man sich zusammentun und muss sich auch wehren.“ Markus Sprengler räumte laut Mannheimer Morgen ein: „Wir als Künstler waren zu leise.“
Existenzängste auf freien Bühnen
Die freien Theater und Kunstinitiativen blicken mit großer Sorge auf die kommenden Jahre. Inka Neubert vom Theaterhaus G7 forderte laut Mannheimer Morgen, „dass man mit den Kulturschaffenden redet“, bevor Kürzungen erfolgen. Angelika Baumgartner vom Theater Oliv schilderte die angespannte Lage ihres Hauses: „Ich denke, es wird darauf hinauslaufen, dass wir weniger bis keine Veranstaltungen mehr machen können“, sagte sie laut Mannheimer Morgen.
Eric Carstensen berichtete, dass der Betrieb der neuen Akademie derzeit nur durch ehrenamtliches Engagement möglich sei. Er betonte laut Mannheimer Morgen: „Das ist eine Bildungseinrichtung, und diese Bildungseinrichtung kann eine Stadt nicht einfach kaputtgehen lassen.“
Fehlende Diskussion über soziale Folgen
Eine wichtige Dimension blieb weitgehend unbeachtet: Wenn Kulturbetriebe keine Gagen mehr zahlen und keine Aufträge vergeben können, droht vielen Kulturschaffenden der soziale Abstieg. Wegbrechende Einnahmen können langfristig zu Abhängigkeit von kommunalen Unterstützungsleistungen führen, psychische Belastungen verschärfen die Situation zusätzlich. Solche gesellschaftlichen Folgekosten spielen bei öffentlichen Debatten über Kulturkürzungen jedoch selten eine Rolle.
Politischer Schulterschluss gefordert
Neben den Sorgen kleinerer Einrichtungen ging es auch um die Rolle großer Kulturhäuser. Tilmann Pröllochs, Intendant des Nationaltheaters Mannheim, unterstrich die Notwendigkeit von Solidarität innerhalb der Szene. Er sagte laut Mannheimer Morgen: „Ja, wir müssen da zusammenhalten, müssen uns dagegenstemmen, um möglichst viel Kultur auch in schwierigen Zeiten zu erhalten.“
Das Nationaltheater steht selbst vor Herausforderungen: Die geplante Generalsanierung hat sich in den vergangenen Jahren erheblich verteuert, was zusätzlichen Druck auf den städtischen Haushalt ausübt.
Valentina Jaffé warb für stärkere Selbstorganisation und betonte die Wichtigkeit des Rats für Kunst und Kultur, der unabhängig von der Stadtverwaltung agiert und die Interessen der gesamten Kulturlandschaft vertritt.
Der Begriff „Banden bilden“ wurde mehrfach als zusammenfassendes Ergebnis des Abends aufgegriffen: Kulturschaffende sollen spartenübergreifend Solidarität üben und gemeinsam für den Erhalt der Kulturförderung eintreten – auch wenn einzelne davon kurzfristig nicht profitieren.
Kann Kultur ohne öffentliche Förderung bestehen?
Die Diskussion offenbarte eine fundamentale Abhängigkeit der Mannheimer Kulturlandschaft von kommunaler Unterstützung. Angesichts der angespannten Haushaltslage bleibt offen, ob die Vielfalt der freien Kultur, kleiner Theater und künstlerischer Bildungsprojekte ohne massive öffentliche Förderung überleben kann.
In den vergangenen Jahrzehnten haben viele Akteure der Mannheimer Kulturszene von städtischer Unterstützung profitiert oder sind auf diese angewiesen. Bei der Diskussion in der Alten Feuerwache traten zudem zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter auf, die direkt bei der Stadt Mannheim oder ihren Tochtergesellschaften angestellt sind.
Angesichts dieser engen personellen und finanziellen Verbindungen stellt sich die Frage, wie viel unabhängige Kritik, neue Impulse oder eine grundlegende Neuausrichtung der Kulturförderung in Mannheim überhaupt noch erwartet werden können.
(Alle Fotos: Alexander Kästel)
Quellen: Mannheimer Morgen, Veranstaltungsankündigung, eigene Recherchen, eigener Reporter
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