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Eine Stadt wird zur Bühne der „Neuen Sachlichkeit“

Die „Neue Sachlichkeit – Ein Jahrhundertjubiläum“ …und alle machen mit: Die großen Häuser, die Freie Szene, die Einkaufstempel und die Werbebranche.

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Motto des Partnernetzwerks: „Die 1920erJahre in Mannheim“ vom 1. September 2024 bis zum 9. März 2025. Die Bandbreite reicht von Ausstellungen, Konzerten und Lesungen über Theater, Oper, Film, Führungen, Vorträge und Symposien bis hin zu Partys.

Warum dieses einhellige Da-sind-wir-mit-von-der-Partie? Wegen eines in die Kunstgeschichte eingegangenen Begriffs? Oder wie es der Generaldirektor der REM-Museen bei der Pressekonferenz so griffig formulierte: „Andere machen Stadtgeschichte, wir machen Kunstgeschichte.“

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Pressegespräch anlässlich des Jubiläums 100 Jahre Neue Sachlichkeit | Foto: Kunsthalle Mannheim / Elmar Witt

Kunsthalle

Dieses Wir-Gefühl hatte der damalige Direktor der Mannheimer Kunsthalle Gustav Friedrich Hartlaub wohl weniger im Sinn. Er zählt in den Zwanzigern zu den avantgardistischen Museumsvertretern. Fokussiert schon früh die Tendenz in der Kunst zu einer sachlich-kühlen Formensprache. Kunstschaffende waren – des ewig propagierten vaterländischen Kriegspathos müde – auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten in Malerei, Architektur, Fotografie und Film. Alles wurde neu definiert: „Neue Frau“, „Neues Wohnen“, „Neue Medien,“ „Neue Musik“ und „Neue Sachlichkeit“.

Hartlaubs Idee: Den neuesten Strömungen eine Ausstellung auszurichten. Bewirbt seine 1925 realisierte legendäre Ausstellung bei Kunsthändlern und Kritikern mit dem Slogan „Neue Sachlichkeit“. Dieser Begriff sollte eine ganze Epoche prägen. Seine, dem Brief beigefügte Künstlerliste, umfasst 52 Namen, darunter Max Beckmann, Otto Dix, Max Ernst, George Gros, Alexander Kanoldt etc. Einziger Makel: Frauen waren, legendär hin oder her, nicht gelistet. 1933 wurde Hartlaub im Zuge der nationalsozialistischen Kulturpolitik entlassen. Traurige Tatsache: Einige der Haus- und Hofkünstler*innen des NS-Regimes waren in den 1920er-Jahren wichtige Protagonist*innen der „Neuen Sachlichkeit“ gewesen. Hartlaub starb 1963 in Heidelberg.

Die Ausstellung in der Kunsthalle „hart & direkt – Zeichnung und Grafik der Neuen Sachlichkeit“ vom 20.09.2024 bis 12.01.2025, „mit zwei Jahren Vorbereitungszeit“, so Kurator Gunnar Saecker, legt einen Fokus auf Werke aus der eigenen Sammlung, ergänzt um Leihgaben aus deutschen Museen und einer Privatsammlung.

Mehr Infos: www.kuma.art

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Vertreter*innen des Netzwerks „Die 1920er-Jahre in Mannheim anlässlich der großen Jubiläumsausstellung in der Kunsthalle Mannheim | Foto: Kunsthalle Mannheim / Elmar Witt

rem-Stiftungsmuseen in C4, 12

Die Sonderausstellung „SACHLICH NEU“ konzentriert sich auf drei Fotografen. Stellt den Pionieren der „Neuen Sachlichkeit“ August Sander und Albert Renger-Patzsch den Mannheimer Nachkriegsfotografen Robert Häusser gegenüber. „Bei allen Parallelen zeigen Häussers Porträts, Landschaft- und Industrieaufnahmen aber eine ganz eigene Handschrift, die zugleich eine Nähe zum Surrealismus und Magischen Realismus aufweist“, so Kurator Claude W. Sui in seiner Presseinformation. Die klug gestaltete Hängung (auf 500 Quadratmetern / 180 Bilder) stellt die Schwarzweißfotografien anhand anschaulicher Bildtafeln in einen geschichtlichen Kontext.

August Sander, Chronist seiner Zeit, schreibt 1927 anlässlich einer Ausstellung seiner Portraitphotographien im Kölnischen Kunstverein im Vorwort: „Nichts ist mir verhasster als überzuckerte Photographie mit Mätzchen, Posen und Effekten […]“.

Das von seinem Sohn Gunther Sander herausgegebene enzyklopädische Werk „Menschen des 20. Jahrhunderts“, ist das Portraitkompendium einer Gesellschaft, die noch von Berufsständen wie Handwerker, Arbeiter, Bauern konstituiert wird. Zeichnet das Bild einer untergegangenen Zeit. Renger-Patzschs Architekturfotografie zeigt dagegen von Kohle und Stahl geprägte Industrieregionen, die unter Kunstkritikern damals verpönt – beziehungsweise nicht als „bildwürdig“ galten. Vintage Prints von Renger-Patzsch erzielen heute auf Auktionen 5-stellige Beträge.

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Das Rahmenprogramm der Sonderausstellung mit literarischen Rundgängen, Vorträgen und Gesprächsrunden vom 22. September 24 bis 27. April 2025, ermöglichte die Bassermann-Kulturstiftung. („SACHLICH NEU“ erscheint im Hirmer Verlag, 168 Seiten, 140 Abbildungen. Preis 39,90 Euro.)

Mehr Infos: www.rem-mannheim.de

Cinema Quadrat

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„Die Dreigroschenoper“ (l.) und „Menschen am Sonntag“ (r.) werden im Cinema Quadrat gezeigt | Bilder: gemeinfrei

Was wäre die „Neue Sachlichkeit“ ohne deutsche Filmpäpste, Hollywood und Stummfilmstars. Cinema Quadrat präsentiert von September 2024 bis März 2025 Stummfilme mit Live-Musik und kinematografische Vorträge über das Kinogeschehen von 1918 bis 1933. Exklusiv für echte Kinoki. Psst! nicht weitersagen: Programmgeheimtipp Nummer 1: „Filmemacherinnen der Weimarer Republik“. Highlight Nummer 2: „Die Dreigroschenoper“ im Film und auf der Bühne sowie „Menschen am Sonntag“: Vier spätere Hollywood-Regisseure beobachten mit dem Kameraauge Berliner beim Faulenzen, Flirten und Streiten.

Mehr Infos: cinema-quadrat.de

Apropos Mannheimer Herbst

Auch in der Neckarstadt gibt es natürlich Netzwerkpartner, die am Jubiläum der „Neuen Sachlichkeit“ teilnehmen.

Das Marchivum beleuchtet in der Ausstellung „Leben in den Goldenen Zwanzigern“ das Alltagsleben und den gesellschaftlichen Wandel der 1920er Jahre in Mannheim. Spannende Einblicke in eine Zeit des Umbruchs, die auch in der Neckarstadt Spuren hinterlassen hat.

Das Capitol öffnet die Türen für Führungen durch das denkmalgeschützte Haus (bereits alle ausgebucht). Zudem erwartet die Besucher*innen ein Chanson-Abend mit historischem Zeitkontext, ein Konzert mit den Hits der 1920er- und 30er-Jahre sowie eine glamouröse Gatsby-Party, bei der der Jazz-Age zum Leben erweckt wird. Alle Details finden Sie unter www.capitol-mannheim.de.

In der Alten Feuerwache trifft bei „La Nuit Bohème“ Jazz auf Hip-Hop, Kunst auf Partykultur. Die Veranstaltungslocation lädt zu einem vielseitigen Programm ein, das von Clubnächten bis hin zu Ausstellungen reicht – eine Hommage an das kreative Lebensgefühl der 1920er. Weitere Infos auf www.altefeuerwache.com.

Weitere Informationen: www.mannheim.de

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Elvira Richter geboren im Kraichgau, studierte Kunst in Washington D.C. und Kommunikations-Design in Mannheim, veröffentlichte verschiedene Hörspiele, arbeitet als Online-Journalistin; betreut die Öffentlichkeitsarbeit für Kunststiftungen/Kulturinstitutionen. Nach Stationen in Washington, Amsterdam, Rom und Berlin lebt und arbeitet sie wieder in Mannheim.