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Über 10.000 demonstrieren in Mannheim gegen Rechtsruck

Auf dem Alten Messplatz versammelten sich am Samstag mehr als 10.000 Menschen, um gegen eine Annäherung der CDU an die AfD zu protestieren.

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Am Samstagmittag war der Alte Messplatz in Mannheim brechend voll. Unter dem Motto „Wir sind die Brandmauer“ versammelten sich nach Angaben der Veranstalter zwischen 12.000 und 15.000 Menschen, um gegen eine politische Zusammenarbeit mit der AfD zu demonstrieren. Die Polizei sprach hingegen nur von etwa 4.000 Teilnehmenden. Unseren Schätzungen nach waren es deutlich über 10.000 Menschen. Anlass für den Protest war eine Bundestagsabstimmung, bei der die CDU mit den Stimmen der AfD einen Antrag zur Migrationspolitik durchsetzte​​.

Die Demonstration wurde kurzfristig von Grünen-Stadtrat Gerhard Fontagnier und dem SPD-Politiker Marko Andelic organisiert. „Wir mussten handeln“, sagte Fontagnier. Er betonte, dass sich der Protest nicht pauschal gegen die CDU richte, sondern gegen jede Annäherung an rechtsextreme Positionen​​.

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Sicher keine 19.000 wie im Januar 2015, aber doch deutlich über 10.000 Menschen kamen 10 Jahre später auf dem Alten Messplatz zusammen, um gegen die Zusammenarbeit der CDU mit der AfD zu protestieren | Foto: M. Schülke

Redebeiträge mit klaren Positionen

Mehrere Redner*innen aus Politik, Kirche und Gesellschaft sprachen auf der Bühne. Die Beiträge wurden immer wieder von Applaus, Pfiffen und Buhrufen gegen CDU-Parteichef Friedrich Merz begleitet.

Auch Ralf Heller, Vorsitzender des DGB Mannheim, kritisierte die CDU und wies darauf hin, dass noch am Vormittag der Abstimmung im Bundestag an den Holocaust erinnert wurde. Dass eine Partei an einem solchen Tag eine Zusammenarbeit mit der AfD in Kauf nehme, sei geschichtsvergessen​.

Der evangelische Pfarrer und Schuldekan Andreas Weisbrod fand klare Worte: „Wer Anstand hat, macht keine gemeinsame Sache mit Rechtsextremen. Wer Anstand hat, hält Abstand. Und zwar den größtmöglichen – im Bundestag und überall.“ Er betonte, dass die Würde des Menschen keine Verhandlungssache sei: „Würde ist kein Konjunktiv, sondern ein Imperativ!“ Seine Rede wurde mit lautem Jubel aufgenommen​.

Auch der katholische Theologieprofessor und Pfarrer der Jesuitenkirche Mannheim, Oliver Wintzek, sprach von „brandgefährlichen Zeiten“. Er kritisierte scharf, dass sich demokratische Parteien auf gefährliches Terrain begäben, wenn sie gemeinsame Sache mit der AfD machten​.

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Ertan Kurt, stellvertretender Vorsitzender der Mannheimer alevitischen Gemeinde und Mitglied des Bundesvorstands, erinnerte daran, dass Demokratie Verantwortung bedeute und nicht nur eine Frage von Mehrheiten sei. Er stellte klar, dass es nicht nur darum gehe, gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren, sondern für eine solidarische Gesellschaft einzutreten​. Eine Randbemerkung dazu: Die Mannheimer CDU-Bundestagsabgeordnete Melis Sekmen, die ursprünglich für die Grünen ins Parlament gewählt worden war und später zur CDU wechselte, hatte gemeinsam mit der AfD für den umstrittenen Antrag gestimmt. Sekmen ist selbst Alevitin​.

Nina Wellenreuther, Grünen-Fraktionschefin im Mannheimer Gemeinderat und Bundestagskandidatin zeigte sich erschüttert über die Entscheidung der CDU: „Wie geschichtsvergessen kann man sein? Wie fahrlässig kann man sein?“ Sie betonte, dass es keine politische Rechtfertigung für eine Zusammenarbeit mit der AfD gebe. „Wir stehen hier, weil wir die Brandmauer hochhalten“, sagte sie unter großem Beifall​.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Isabel Cademartori schilderte anschließend die Bundestagsdebatte als eine der „schwersten Wochen meiner noch jungen Parlamentskarriere“. Sie erklärte, dass die SPD mit CDU und FDP stundenlang verhandelt habe, um zu verhindern, dass ein Antrag mit AfD-Stimmen verabschiedet wird. „Schäm dich, Friedrich Merz, schäm dich!“, rief sie ins Mikrofon und fügte hinzu: „Ich habe kein Vertrauen mehr in diesen Mann.“

Dennis Ulas, Stadtrat der Linken, stellte infrage, ob es überhaupt jemals eine Brandmauer zwischen CDU und AfD gegeben habe. Er äußerte seine Besorgnis darüber, dass sich innerhalb der CDU Stimmen mehren, die eine Zusammenarbeit mit der AfD befürworten – besonders im Osten Deutschlands​.

Von der Bühne aus wurde auch eine Botschaft des Mannheimer Fotografen Luigi Toscano verlesen. Toscano, der in der Neckarstadt lebt und international für seine Erinnerungsprojekte an den Holocaust bekannt ist, hatte bereits einige Tage zuvor angekündigt, sein Bundesverdienstkreuz zurückzugeben. Damit protestiert er gegen die zunehmende Normalisierung rechtsextremer Positionen in der Politik. In seiner verlesenen Botschaft griff er eine frühere Äußerung von Friedrich Merz auf: „Meine Werte einer Demokratie stehen nicht auf einem Bierdeckel, ich trage sie im Herzen“ – eine Anspielung auf die Steuererklärungspläne von Merz aus dem Jahr 2003​.

CDU-internes Unverständnis über Merz

Gerhard Fontagnier stellte klar, dass nicht alle CDU-Mitglieder die Entscheidung von Friedrich Merz gutheißen. Auch in Mannheim gebe es Parteimitglieder, die sich klar gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD aussprechen. Allerdings sei es jetzt an der CDU, ihre Brandmauer glaubwürdig aufrechtzuerhalten. „Wir werden die Brandmauer auch im Mannheimer Gemeinderat hochhalten“, sagte er und erntete dafür Applaus​.

Weitere Proteste angekündigt

Während der Kundgebung wurde dazu aufgerufen, am kommenden Donnerstag (6. Februar) erneut auf die Straße zu gehen. An diesem Tag wird Friedrich Merz in der Feudenheimer Kulturhalle auftreten, um die Mannheimer CDU-Bundestagsabgeordnete Melis Sekmen zu unterstützen. Die Demonstrierenden wollen dort erneut ein Zeichen gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD setzen​​.

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