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Parkplatzpläne bedrohen Kinderwiese am Herzogenriedbad

Trotz Protest von über 3.080 Bürger*innen hält die Stadt an den Parkplatzplänen beim Kombibad fest – ohne echte Beteiligung der Betroffenen.

Zwischen den Kinderhäusern „Am Park“, „August-Kuhn“ und dem Herzogenriedbad soll ein neuer Parkplatz entstehen. Für viele Eltern und Anwohner*innen ist das ein Schock. Die bisher unversiegelte Wiese gilt als einer der wenigen frei zugänglichen grünen Rückzugsorte in der dicht bebauten Neckarstadt-Ost und als täglicher Aufenthaltsort vieler Kinder.

Anspruch und Realität der „Kinderfreundlichen Kommune“

Mannheim trägt seit 2023 das Siegel „Kinderfreundliche Kommune“. Für viele Familien wirkt die Entscheidung deshalb wie ein doppelter Bruch: Ausgerechnet die einzige zusammenhängende Grünfläche zwischen zwei städtischen Kinderhäusern soll verschwinden. Beim Fototermin auf der Wiese im September standen rund 150 Menschen gemeinsam dort, wo die Stadt künftig Autos sehen möchte.

Seit Monaten regt sich Widerstand. Eine Petition gegen die Umnutzung der Fläche hat inzwischen über 3.080 Unterstützer*innen gefunden.

Der Plan: Parkplätze statt Wiese

Die neuen Stellplätze gehören zum laufenden Bauprojekt des Kombibads Herzogenried. Nach letzten Angaben der Stadt sind dort knapp 140 Stellplätze vorgesehen – 79 auf der Westseite Richtung Kaufland und 58 auf dem „Parkplatz Ost“, also auf der Fläche direkt an den Kinderhäusern.

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Auch entlang der Grünfläche fanden Kinder einen sicheren Verkehrsraum, der nun in Gefahr ist | Foto: M. Schülke

Eine bislang grüne, öffentliche Fläche wird künftig zu einer Parkplatzfläche für Autos. Ob diese Stellplätze ausgerechnet an dieser Stelle entstehen müssen, ist fraglich. Denn seit Jahren verweist die Stadt selbst auf den Neuen Messplatz in unmittelbarer Nähe als Parkplatz für Badbesucher*innen. Dort stehen bereits heute zahlreiche kostenlose Stellplätze zur Verfügung – ungenutzt bleibt jedoch das Potenzial, diese Fläche dauerhaft als Teil des Parkkonzepts einzubeziehen.

Viele Beschwichtigungen, wenig belastbare Information

Wenn die Stadt über das Projekt spricht, dann meist in beschwichtigender Sprache.
Von einer „klimaschonenden Umsetzung“ ist die Rede, von einer Maßnahme „ohne Vollversiegelung“. Tatsächlich wird der Untergrund bis zu einem Meter tief ausgehoben und anschließend großflächig mit versickerungsfähigem Pflaster belegt.

Dass eine Pflasterfläche die ökologischen Funktionen einer Wiese ersetzt, ist ausgeschlossen. Trotzdem verzichtet die Stadt auf jede mikroklimatische Untersuchung oder nachvollziehbare Bewertung der Auswirkungen für die angrenzenden Kinderhäuser. Die Verwaltung geht davon aus, dass die Eingriffe „behutsam“ seien und die Auswirkungen „gering“ bleiben – obwohl keinerlei Daten diese Annahme belegen.

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Was „keine Vollversiegelung“ bedeutet, kann man direkt neben der Wiese sehen | Foto: M. Schülke

Auch in der Kommunikation fällt auf, wie gleichlautend die Antworten ausfallen – ob sie von der Pressestelle, Bürgermeister Eisenhauer oder Oberbürgermeister Specht kommen. Bürger*innen, die nachfragen, erhalten Textbausteine, aber keine konkreten Fakten.

Der Verlust der Fläche trifft zudem eine Einrichtung, die laut Selbstverständnis der Stadt Anspruch auf besondere Rücksicht hätte. Mannheim bezeichnet sich als „Kinderfreundliche Kommune“, doch die betroffenen Kinderhäuser wurden in keine Planungs- oder Bewertungsprozesse einbezogen. Die Entscheidung fällt damit genau auf jene Fläche, die für Kinder einen täglichen, sicheren Aufenthaltsort darstellt.

Verkehrssicherheit als Begründung

Zwischenzeitlich wurde auch das Argument der Verkehrssicherheit ins Spiel gebracht: Die neue Parkplatzfläche solle das Bringen und Abholen der Kinder erleichtern. Doch nach Angaben der Stadt liegen keine Beschwerden oder Meldungen über eine problematische Verkehrssituation vor.

Die Grünfläche an den Kinderhäusern war bislang autofrei. Künftig soll sie über eine beschrankte Zufahrt erreichbar sein – mit regelmäßigem Parkverkehr direkt an den Einrichtungen. Eine Hecke soll den Parkplatz vom Kinderhaus abgrenzen und Sicherheit bieten. Wie wirkungsvoll diese Barriere ist, bleibt abzuwarten.

Da der Bereich künftig bewirtschaftet und durch Schranken geregelt sein wird, dürfte sich die Situation für Personal und Eltern deutlich verschlechtern. Der Bring- und Abholverkehr könnte sich auf die August-Kuhn-Straße verlagern – eine Straße, die während der Freibadsaison schon regelmäßig überlastet ist.

Es ist anzunehmen, dass sich viele Badegäste weiterhin für vermeintlich kostenloses Parken auf dem Grünstreifen an der August-Kuhn-Straße entscheiden.

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Dass auf dem Neuen Messplatz kostenlos geparkt werden konnte, hat in der Vergangenheit schon kaum jemanden interessiert (Archivbild des „Grünzugs Max-Joseph-Straße“) | Foto: M. Schülke

Teurer Tiefbau in Zeiten des Sparhaushalts

Dass der „Parkplatz Ost“ kein einfacher Schotterplatz wird, zeigt sich inzwischen deutlich.
Nach Auskunft der Stadt wird der Boden 80 bis 100 Zentimeter tief ausgehoben und in mehreren Schichten neu aufgebaut. Die Stadt schätzt die Kosten auf bis zu 400.000 Euro.

Selbst wenn dieser Betrag bei derart aufwändigen Tiefbauarbeiten im Rahmen liegt, wirkt die Summe angesichts der geringen Zahl von Stellplätzen und der angespannten Haushaltslage Mannheims bemerkenswert. Während in Kitas, Bibliotheken und sozialen Einrichtungen gespart wird, soll hier fast eine halbe Million Euro in eine Maßnahme fließen, die ökologisch belastet und funktional kaum verbessert.

Fehlende Transparenz der Verwaltung

Die Art und Weise, wie die Entscheidung kommuniziert wurde, offenbart ein tieferliegendes Problem: fehlende Transparenz in städtischen Entscheidungsprozessen. Die Vergabe der Arbeiten wurde im Ausschuss für Umwelt und Technik bekanntgegeben, ohne in den laufenden Dialogen mit den Beschwerdeführenden oder der Presse zuvor darauf hinzuweisen – ganz im Gegenteil wurde mit Verweis auf einen späteren AUT von dem Vergabebeschluss abgelenkt.

Dass im laufenden Austausch mit Bürger*innen und Medien kein Wort über den anstehenden Beschluss fiel, verstärkte das Gefühl, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Dabei ging es längst nicht mehr um technische Details, sondern um Vertrauen.

Der Vorgang zeigt exemplarisch, wie rechtlich korrekte Verfahren politische Verantwortung ersetzen. Schon 2022 hätte die Stadt die betroffenen Kinderhäuser und Familien einbinden müssen – nicht erst, wenn der Bagger anrückt. Doch eine echte Beteiligung fand nie statt.

Bis heute hat es zu dem Thema keine echte politische Debatte gegeben. Der Parkplatz Ost war über Jahre hinweg im Gesamtbeschluss zum Kombibad versteckt und wurde nie als eigenes Projekt öffentlich diskutiert. Nun haben fast alle Gemeinderatsfraktionen eigene Anträge dazu eingebracht, die heute im Ausschuss für Umwelt und Technik (AUT) beraten werden sollen.

Alternativen liegen auf dem Tisch

Noch ist der Parkplatz nicht gebaut. Die Kampfmittelprüfung ist erst für das Frühjahr 2026 vorgesehen, wobei es durch mögliche Funde zu erheblichen Kostensteigerungen kommen könnte. Direkt nebenan wurden beim Bau des Kombibads bereits mehrere Blindgänger gefunden. Die Bauarbeiten würden dann frühestens im Sommer beginnen. Bis dahin hätte die Stadt Gelegenheit, den eingeschlagenen Kurs zu überdenken – oder zumindest zu erklären.

Die Fläche, auf der derzeit die Baucontainer stehen, umfasst rund 1.100 Quadratmeter und könnte ohne großen Aufwand als Stellplatz genutzt werden. Zum Vergleich: Der geplante Parkplatz Ost soll rund 2.200 Quadratmeter groß werden. Zusammen mit einem kleinen, genau abgegrenzten Bereich des Neuen Messplatzes ließe sich damit der gesamte Stellplatzbedarf decken, ohne die Grünfläche an den Kinderhäusern dauerhaft zu verlieren.

Offene Fragen zum Neuen Messplatz

Außerdem bräuchte das Kombibad für seinen Stellplatzbedarf nur einen sehr kleinen Teil des Neuen Messplatzes. Selbst für alle 58 Stellplätze würde ein schmaler Randbereich ausreichen. Der Messplatz bliebe damit nahezu uneingeschränkt nutzbar, und die zuständige VTM könnte diesen Bereich bei Bedarf jederzeit temporär für eigene Zwecke einsetzen, auch wenn die Stellplätze offiziell zum Kombibad gehören.

Wie stark der Neue Messplatz tatsächlich ausgelastet ist, kann die Stadt selbst nicht beantworten. Die kommunale Gesellschaft, die für die Verpachtung des Neuen Messplatzes zuständig ist, verfügt nach eigenen Angaben über kein System, das die Belegung systematisch erfasst. Belastbare Daten fehlen damit vollständig. Ohne verlässliche Informationen bleibt unklar, ob vom Neuen Messplatz ein kleiner Teil ohne Funktionsverlust für das Kombibad genutzt werden könnte.

Der Platz der ungenutzten Möglichkeiten

Fragwürdiger Nutzen der geplanten Umwandlung

Auch die von der Stadt angeführte Wiederherstellung eines „Grünzugs“ an der Max-Joseph-Straße wirft Fragen auf. Ein besonderer Gewinn für Klima oder Aufenthalt ist nicht erkennbar, zumal die Stadt hierzu keine Untersuchungsdaten vorlegt, sondern lediglich behauptet, dies sei planerisch sinnvoll. Was die Erfahrungen vor Ort jedoch zeigen: Jede Grünfläche rund um das Herzogenriedbad wird sofort als vermeintlich kostenloser Parkplatz genutzt. Warum die Stadt eine tatsächlich genutzte Grünfläche an den Kinderhäusern opfern möchte, während ein bereits versiegelter Bereich ungenutzt bleibt, bleibt damit schwer nachvollziehbar.

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Die Containerfläche böte allein schon die Hälfte der benötigten Fläche für die 58 Stellplätze | Foto: M. Schülke

Dass die Stadt keine belastbaren Daten bereitstellt, erschwert es der Öffentlichkeit zudem, fundierte Alternativvorschläge zu entwickeln. Wer nicht weiß, wie oft der Platz genutzt wird oder ob die vorhandenen Parkflächen tatsächlich ausgelastet sind, kann keine informierte Position einnehmen. Damit entsteht eine Schieflage: Die Stadt fordert Zustimmung zu einer Lösung, ohne die Grundlagen dieser Entscheidung ausreichend offenzulegen.

AUT berät heute über mehrere neue Anträge

Am heutigen Donnerstag ab 16 Uhr befasst sich der Ausschuss für Umwelt und Technik erneut mit der Stellplatzfrage am Herzogenriedbad. Mehrere Fraktionen haben Anträge eingebracht – von der vollständigen Sicherung der Grünfläche über die Prüfung einer Quartiersgarage bis hin zu zusätzlichen Stellplätzen entlang der Max-Joseph-Straße. Für viele Bürger*innen ist es die erste Gelegenheit, dass die Frage überhaupt sichtbar im politischen Raum diskutiert wird.

Eine wichtige Botschaft an die Stadt ist: Der Protest richtet sich nicht gegen das Kombibad und auch nicht gegen Parkplätze an sich, sondern gegen die Achtlosigkeit gegenüber den Kindern der städtischen Einrichtung und dem Stadtklima. Es hätte rechtlich und planerisch machbare Alternativen gegeben – doch die Bereitschaft, sie ernsthaft zu prüfen, war bislang nicht erkennbar.

Quellen: Eigene Recherchen