Vom 21. bis zum 22. Juli 2018 findet zum neunten Mal die Kultur-Biennale in der Neckarstadt-Ost statt. Anlass genug, die Macherinnen der KultTour zum Klönschnack einzuladen.
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Die Macherinnen der KultTour, der Kultur-Biennale in der Neckarstadt-Ost, besuchen mich auf der Feierabendbank auf meiner Terrasse. Die etablierte Neckarstädterin Gisela Kerntke und die junge Fotografin Lys Y. Seng sind zwei sich wunderbar ergänzende Generationen und das perfekte Duo, um den Kulturspaziergang, der vom 21. bis zum 22. Juli 2018 zum neunten Mal stattfindet, zu organisieren.
Mich interessiert, wie diese unterschiedlichen Frauen scheinbar mühelos einen Kraftakt wie die KultTour auf die Beine stellen und was sie mit der Neckarstadt verbinden.
Gisela und Lys, Künstler stehen nicht gerade im Ruf, gute Organisatoren zu sein. Ist es nicht ein Himmelfahrtskommando, ein nicht-kommerzielles Event wie die KultTour mit so vielen unterschiedlichen Beteiligten auf die Beine zu stellen und das auch noch komplett ehrenamtlich?
Lys: Ganz ehrlich? Die erste KultTour war ein Geschenk für mich. Sie hat mir geholfen, Wurzeln zu schlagen. Zuvor habe in vielen tollen Städten gelebt. Hamburg, Leipzig, Baden- Baden. Überall war ich Gast, ich fühlte mich wurzellos. Dann kam ich hier an und organisierte die KultTour mit. Das war ein unglaublicher Einstieg. Dieses intensive Gefühl, den Stadtteil zu erleben. Ich kannte hier nichts und niemanden. Um voran zu kommen, klapperte ich Straßen ab, klingelte überall, wo Fotograf an der Klingel stand oder ein Pinsel im Fenster. Plötzlich lernte ich all diese interessanten Leute hier kennen. Es war ein Bezug entstanden, der sich hält und der trägt. Ich hatte das Gefühl, angekommen zu sein.
Gisela, Du wirkst auf mich wie der Prototyp des alteingesessen Neckarstädters: intellektuell bürgerlich, mit einem Moral- und Werteverständnis, vor dem man sich nur verneigen kann, und dem Anspruch, etwas zu bewegen. War der Weg zur KultTour nur eine Frage der Zeit?
Gisela: In der Tat wohne ich seit 28 Jahren in der Mannheimer Neckarstadt. Geboren bin ich allerdings in Hamburg, später zog ich mit der Familie nach Süddeutschland, erst in den Schwarzwald, danach nach Stuttgart. Studiert habe ich in Tübingen. Von Beruf bin ich Bibliothekarin. Viele andere Ideen hatte ich schon immer; ich brauchte mehr als nur meine Arbeit. Ich probierte alles Mögliche aus, anfangs politisch, überwiegend graswurzel-mäßig: z.B. Friedensarbeit, Arbeit für Geflüchtete. Irgendwann kam dann die Idee, mich im (inter-) kulturellen Bereich zu engagieren. Das lag mir und mit dem neu gegründeten Verein KulturQuer QuerKultur Rhein-Neckar gab es im richtigen Moment die Möglichkeit, etwas auf die Beine zu stellen. 2001 startete die erste Aktion und die KultTour war geboren. Ich hatte die Passion entdeckt, der ich folgen musste. Dafür habe ich mich ganz bewusst früher aus meinem Beruf gezogen, der Bibliothek nach und nach Adieu gesagt.
Aber mal ehrlich, ein Spaziergang ist es nicht, dieses Event zu organisieren…
Gisela: Passion hat ja durchaus zwei Seiten. Ein halbes Jahr lang beschäftigt uns die Organisation. Glücklicherweise wissen wir mittlerweile, worauf es ankommt und haben viele Langjährige dabei. Experimentiert haben wir durchaus; gerade am Anfang. Den ursprünglich jährlichen Rhythmus haben wir schnell zugunsten eines zweijährigen aufgegeben. Damit bleibt uns Zeit für die vielen anderen Themen, die jede von uns hat. Außerdem haben sich die Platzierung im Sommer und die Verlängerung auf zwei Tage bewährt. Wenn es einen Tag regnet, ist im Sommer trotzdem meist am nächsten Tag Sonnenschein.
Lys: Wir sind zu zweit und stemmen die Organisation nebenher. Anfangs war das kein Thema für mich, da hatte ich nach dem Studium genügend Zeit dafür. Und auch persönlich viel mitgenommen. Neben Job und all den anderen Verpflichtungen, die wir beide nebenher haben, ist das schon ein Kraftakt. In diesem Jahr haben wir ganz offen kommuniziert, wie es ist: wir sind limitiert auf zwei Frauen mit zwei Köpfen und vier Armen. Da muss klar sein, dass nicht alles geht. Wir wollen außerdem, dass jeder, der mitmacht, es als seine Aktion versteht und sich damit identifiziert. 2018 geben Teilnehmer im Anmeldeformular an, wie sie die KultTour unterstützen werden, z.B. durch Verteilen von Flyern oder Aufhängen von Plakaten. Dadurch entsteht ein Wir-Gefühl, das diese Aktion auch braucht.
Impressionen von der letzten KultTour 2016
Alle zwei Jahre öffnet die Neckarstadt-Ost ihre Türen für Kulturbegeisterte | Foto: N. Worm
Nur nach Terminabsprache ist das Atelier der Hutmacherin Lili Seiler normalerweise geöffnet | Foto: Ruth Fanderl
Nur nach Terminabsprache ist das Atelier der Hutmacherin Lili Seiler normalerweise geöffnet | Foto: M. Schülke
Mehrdad Zaeri und Tanja Jacobs signierten ihre Bücher | Foto: M. Schülke
Andrang in der Pozzistraße | Foto: Ruth Fanderl
Foto: Ruth Fanderl
Hinterhoffest bei der Galerie Moderne Kunst | Foto: Ruth Fanderl
Songs der 20er bis 50er Jahre mit dem Salontrio Heidelberg am Sonntag bei Zweiachtel in der Eichendorffstraße | Foto: M. Schülke
Beim Frisör Unikum trat die Mannheimer Band Antenne Lila auf | Foto: M. Schülke
Gar nicht auf dem Programm stand die szenische Lesung am Sonntag in der Langen Rötterstraße 60 | Foto: M. Schülke
Das Format selbst ist etabliert und hält sich nun schon bald zwei Jahrzehnte. Woran liegt das?
Lys: Die KultTour ist das entschleunigendste Format, welches die Stadt zu bieten hat. Sie muss keine Erwartungen erfüllen wie die Lichtmeile oder der Nachtwandel. Alle sind entspannt, man trinkt gemeinsam einen Kaffee, es stehen Tische im Hof und man wird zu selbstgebackenem Kuchen eingeladen. Ziel ist es ja, den Stadtteil zusammen zu bringen. Die Leute machen mit, weil es ihr Stadtteil ist und weil sie hier ihren Resonanzboden haben. Es ist ein Geben und Nehmen. Und jeder nimmt etwas für sich mit; auch wenn das nicht im Vordergrund steht.
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Gisela: Die Neckarstadt mit ihren Altbauten zieht Künstler magisch an. Hier gibt es unheimlich viele Ateliers und Galerien. Von denen gab es früher sogar noch einige mehr. Mittlerweile kommen die Cafés dazu, von denen viele regelmäßig mitmachen. Wir haben die KultTour in den Herzogenried ausgedehnt, merkten allerdings schnell, dass die Resonanz hier geringer ist. Künstler mögen eher keine Neubauten.
Apropos Altbauten und Neckarstadt. Die Ost ist ja mittlerweile zum Kiez geworden, in den jeder will. Die Rollenkoffer-Quote steigt und Wohnungen zu bezahlbaren Preisen sind kaum noch zu bekommen. Vertreibt das über kurz oder lang auch die Künstler?
Gisela: Auch mir berichten hin und wieder Bekannte von Veränderungen. Ich persönlich erlebe das nicht so. Natürlich geht die Zeit nicht spurlos am Viertel vorbei; das finde ich normal und wichtig. Als ich hier ankam, gab es noch türkische Tante-Emma-Läden in der Langen Rötterstraße. Die ich übrigens sehr geliebt habe. Längst gibt es diese nicht mehr. Dafür haben wir eine Reihe schöner Cafés bekommen, die ich sehr gerne besuche.
Lys: Das Schöne ist, dass es viele alteingesessene Vermieter gibt, für die es nicht so sehr ums Geld geht. Die sind nicht durchsaniert und manchmal ist es eher improvisiert; aber so bleibt die Vielfalt erhalten. In meinem Haus sind Mieten nach wie vor bezahlbar.
Gisela: Ich kenne eine besonders schöne Geschichte von Teilnehmern der KultTour, die sehr für diesen Stadtteil spricht. Beide sind Künstler mit unsicherem Einkommen, die aus familiären Gründen von West nach Ost umziehen mussten. Zunächst aus dem Rennen, rief die Vermieterin die Familie an und sprach ihnen die Wohnung zu. Weil sie so sympathisch sind und sie das schon hinbekommen würden. Ist das nicht toll. So etwas findet man in der Neckarstadt. Dieses Vertrauen in Menschen spricht für den Stadtteil.
Klönschnack ist die norddeutsche Art, mit Nachbarn in Kontakt zu kommen und sich kennen zu lernen. Man kommt nach getaner Arbeit mit einem Feierabendbier auf eine halbe Stunde vorbei und schnackt über Gott und die Welt. Verratet mir zum Abschied noch, wo in der Neckarstadt Eure Feierabendbank stehen würde?
Lys: Ganz klar in der Adria, da brauche ich nicht lange überlegen. Da trifft man immer jemanden, den man kennt – nicht nur Neckarstädter.
Oh ja, Adria ist, wie auch die Neckarstadt selbst, ein gutes Beispiel dafür, wie etwas mehr als die Summe seiner Teile ist. Mir sagte kürzlich jemand, man könne es auch „das Prinzip Adria“ nennen. Und bei Dir, Gisela, wo steht Deine Bank?
Gisela (überlegt eine Weile): Ach, der Ausgewogenheit halber entscheide ich mich für das Cohrs. Da bin ich gern und den Ort schlage ich gern als Treffpunkt vor. Gerne bei einem Glas Wein; damit genieße ich einen schönen Abend in der Neckarstadt am liebsten.
Vielen Dank, dass ich Euch KultTour-Macherinnen kennen lernen durfte. Ich wünsche Euch gutes Gelingen für die diesjährige KultTour, bei der wieder mehr als dreißig Stationen dabei sind. Mir gefällt besonders, dass wir uns synchronisiert haben und die Neckarschätze* am selben Tag stattfinden. Über Mittag Flohmärkte im ganzen Viertel und ab 15 Uhr der Kulturspaziergang. Das wird ein belebter und unglaublich lebenswerter Tag im schönsten Kiez der Stadt!
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Vom 21. bis zum 22. Juli 2018 findet zum neunten Mal die Kultur-Biennale in der Neckarstadt-Ost statt. Anlass genug, die Macherinnen der KultTour zum Klönschnack einzuladen.
Die Macherinnen der KultTour, der Kultur-Biennale in der Neckarstadt-Ost, besuchen mich auf der Feierabendbank auf meiner Terrasse. Die etablierte Neckarstädterin Gisela Kerntke und die junge Fotografin Lys Y. Seng sind zwei sich wunderbar ergänzende Generationen und das perfekte Duo, um den Kulturspaziergang, der vom 21. bis zum 22. Juli 2018 zum neunten Mal stattfindet, zu organisieren.
Mich interessiert, wie diese unterschiedlichen Frauen scheinbar mühelos einen Kraftakt wie die KultTour auf die Beine stellen und was sie mit der Neckarstadt verbinden.
Gisela und Lys, Künstler stehen nicht gerade im Ruf, gute Organisatoren zu sein. Ist es nicht ein Himmelfahrtskommando, ein nicht-kommerzielles Event wie die KultTour mit so vielen unterschiedlichen Beteiligten auf die Beine zu stellen und das auch noch komplett ehrenamtlich?
Lys: Ganz ehrlich? Die erste KultTour war ein Geschenk für mich. Sie hat mir geholfen, Wurzeln zu schlagen. Zuvor habe in vielen tollen Städten gelebt. Hamburg, Leipzig, Baden- Baden. Überall war ich Gast, ich fühlte mich wurzellos. Dann kam ich hier an und organisierte die KultTour mit. Das war ein unglaublicher Einstieg. Dieses intensive Gefühl, den Stadtteil zu erleben. Ich kannte hier nichts und niemanden. Um voran zu kommen, klapperte ich Straßen ab, klingelte überall, wo Fotograf an der Klingel stand oder ein Pinsel im Fenster. Plötzlich lernte ich all diese interessanten Leute hier kennen. Es war ein Bezug entstanden, der sich hält und der trägt. Ich hatte das Gefühl, angekommen zu sein.
Gisela, Du wirkst auf mich wie der Prototyp des alteingesessen Neckarstädters: intellektuell bürgerlich, mit einem Moral- und Werteverständnis, vor dem man sich nur verneigen kann, und dem Anspruch, etwas zu bewegen. War der Weg zur KultTour nur eine Frage der Zeit?
Gisela: In der Tat wohne ich seit 28 Jahren in der Mannheimer Neckarstadt. Geboren bin ich allerdings in Hamburg, später zog ich mit der Familie nach Süddeutschland, erst in den Schwarzwald, danach nach Stuttgart. Studiert habe ich in Tübingen. Von Beruf bin ich Bibliothekarin. Viele andere Ideen hatte ich schon immer; ich brauchte mehr als nur meine Arbeit. Ich probierte alles Mögliche aus, anfangs politisch, überwiegend graswurzel-mäßig: z.B. Friedensarbeit, Arbeit für Geflüchtete. Irgendwann kam dann die Idee, mich im (inter-) kulturellen Bereich zu engagieren. Das lag mir und mit dem neu gegründeten Verein KulturQuer QuerKultur Rhein-Neckar gab es im richtigen Moment die Möglichkeit, etwas auf die Beine zu stellen. 2001 startete die erste Aktion und die KultTour war geboren. Ich hatte die Passion entdeckt, der ich folgen musste. Dafür habe ich mich ganz bewusst früher aus meinem Beruf gezogen, der Bibliothek nach und nach Adieu gesagt.
Aber mal ehrlich, ein Spaziergang ist es nicht, dieses Event zu organisieren…
Gisela: Passion hat ja durchaus zwei Seiten. Ein halbes Jahr lang beschäftigt uns die Organisation. Glücklicherweise wissen wir mittlerweile, worauf es ankommt und haben viele Langjährige dabei. Experimentiert haben wir durchaus; gerade am Anfang. Den ursprünglich jährlichen Rhythmus haben wir schnell zugunsten eines zweijährigen aufgegeben. Damit bleibt uns Zeit für die vielen anderen Themen, die jede von uns hat. Außerdem haben sich die Platzierung im Sommer und die Verlängerung auf zwei Tage bewährt. Wenn es einen Tag regnet, ist im Sommer trotzdem meist am nächsten Tag Sonnenschein.
Lys: Wir sind zu zweit und stemmen die Organisation nebenher. Anfangs war das kein Thema für mich, da hatte ich nach dem Studium genügend Zeit dafür. Und auch persönlich viel mitgenommen. Neben Job und all den anderen Verpflichtungen, die wir beide nebenher haben, ist das schon ein Kraftakt. In diesem Jahr haben wir ganz offen kommuniziert, wie es ist: wir sind limitiert auf zwei Frauen mit zwei Köpfen und vier Armen. Da muss klar sein, dass nicht alles geht. Wir wollen außerdem, dass jeder, der mitmacht, es als seine Aktion versteht und sich damit identifiziert. 2018 geben Teilnehmer im Anmeldeformular an, wie sie die KultTour unterstützen werden, z.B. durch Verteilen von Flyern oder Aufhängen von Plakaten. Dadurch entsteht ein Wir-Gefühl, das diese Aktion auch braucht.
Impressionen von der letzten KultTour 2016
Das Format selbst ist etabliert und hält sich nun schon bald zwei Jahrzehnte. Woran liegt das?
Lys: Die KultTour ist das entschleunigendste Format, welches die Stadt zu bieten hat. Sie muss keine Erwartungen erfüllen wie die Lichtmeile oder der Nachtwandel. Alle sind entspannt, man trinkt gemeinsam einen Kaffee, es stehen Tische im Hof und man wird zu selbstgebackenem Kuchen eingeladen. Ziel ist es ja, den Stadtteil zusammen zu bringen. Die Leute machen mit, weil es ihr Stadtteil ist und weil sie hier ihren Resonanzboden haben. Es ist ein Geben und Nehmen. Und jeder nimmt etwas für sich mit; auch wenn das nicht im Vordergrund steht.
Gisela: Die Neckarstadt mit ihren Altbauten zieht Künstler magisch an. Hier gibt es unheimlich viele Ateliers und Galerien. Von denen gab es früher sogar noch einige mehr. Mittlerweile kommen die Cafés dazu, von denen viele regelmäßig mitmachen. Wir haben die KultTour in den Herzogenried ausgedehnt, merkten allerdings schnell, dass die Resonanz hier geringer ist. Künstler mögen eher keine Neubauten.
Apropos Altbauten und Neckarstadt. Die Ost ist ja mittlerweile zum Kiez geworden, in den jeder will. Die Rollenkoffer-Quote steigt und Wohnungen zu bezahlbaren Preisen sind kaum noch zu bekommen. Vertreibt das über kurz oder lang auch die Künstler?
Gisela: Auch mir berichten hin und wieder Bekannte von Veränderungen. Ich persönlich erlebe das nicht so. Natürlich geht die Zeit nicht spurlos am Viertel vorbei; das finde ich normal und wichtig. Als ich hier ankam, gab es noch türkische Tante-Emma-Läden in der Langen Rötterstraße. Die ich übrigens sehr geliebt habe. Längst gibt es diese nicht mehr. Dafür haben wir eine Reihe schöner Cafés bekommen, die ich sehr gerne besuche.
Lys: Das Schöne ist, dass es viele alteingesessene Vermieter gibt, für die es nicht so sehr ums Geld geht. Die sind nicht durchsaniert und manchmal ist es eher improvisiert; aber so bleibt die Vielfalt erhalten. In meinem Haus sind Mieten nach wie vor bezahlbar.
Gisela: Ich kenne eine besonders schöne Geschichte von Teilnehmern der KultTour, die sehr für diesen Stadtteil spricht. Beide sind Künstler mit unsicherem Einkommen, die aus familiären Gründen von West nach Ost umziehen mussten. Zunächst aus dem Rennen, rief die Vermieterin die Familie an und sprach ihnen die Wohnung zu. Weil sie so sympathisch sind und sie das schon hinbekommen würden. Ist das nicht toll. So etwas findet man in der Neckarstadt. Dieses Vertrauen in Menschen spricht für den Stadtteil.
Klönschnack ist die norddeutsche Art, mit Nachbarn in Kontakt zu kommen und sich kennen zu lernen. Man kommt nach getaner Arbeit mit einem Feierabendbier auf eine halbe Stunde vorbei und schnackt über Gott und die Welt. Verratet mir zum Abschied noch, wo in der Neckarstadt Eure Feierabendbank stehen würde?
Lys: Ganz klar in der Adria, da brauche ich nicht lange überlegen. Da trifft man immer jemanden, den man kennt – nicht nur Neckarstädter.
Oh ja, Adria ist, wie auch die Neckarstadt selbst, ein gutes Beispiel dafür, wie etwas mehr als die Summe seiner Teile ist. Mir sagte kürzlich jemand, man könne es auch „das Prinzip Adria“ nennen. Und bei Dir, Gisela, wo steht Deine Bank?
Gisela (überlegt eine Weile): Ach, der Ausgewogenheit halber entscheide ich mich für das Cohrs. Da bin ich gern und den Ort schlage ich gern als Treffpunkt vor. Gerne bei einem Glas Wein; damit genieße ich einen schönen Abend in der Neckarstadt am liebsten.
Vielen Dank, dass ich Euch KultTour-Macherinnen kennen lernen durfte. Ich wünsche Euch gutes Gelingen für die diesjährige KultTour, bei der wieder mehr als dreißig Stationen dabei sind. Mir gefällt besonders, dass wir uns synchronisiert haben und die Neckarschätze* am selben Tag stattfinden. Über Mittag Flohmärkte im ganzen Viertel und ab 15 Uhr der Kulturspaziergang. Das wird ein belebter und unglaublich lebenswerter Tag im schönsten Kiez der Stadt!
* Transparenz-Hinweis: Die Autorin Christin Fuchs organisiert seit 2017 ehrenamtlich den Neckarstädter Hofflohmarkt „Neckarschätze“, den das Neckarstadtblog dieses Jahr als Medienpartner mit präsentiert. Zum Neckarstadtblog kam Christin Fuchs durch ein Interview anlässlich des ersten Hofflohmarkts.
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