dju Rhein-Neckar diskutierte mit Mannheimer Sprachwissenschaftlerin.
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Auf ihre Einladung zum Themenabend „Geschlechtergerechte Sprache: Zumutung, Herausforderung, Notwendigkeit?“ im Gewerkschaftshaus in Mannheim hatte die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) Rhein-Neckar nicht nur positive Rückmeldungen erhalten.
„Das ist ein heißumstrittenes Thema“, stellte Elvira Richter bei der Begrüßung fest. Auch für ihre Vorstandskollegin Lydia Dartsch zeigte das teils sehr emotionale Feedback einmal mehr, wie aufgeladen die Debatte ist. „Ich hoffe, dass wir heute Abend deutlich sachlicher diskutieren können“, sagte sie und stellte als Referentin die Sprachwissenschaftlerin Prof. Carolin Müller-Spitzer vom Mannheimer Leibniz-Institut für deutsche Sprache vor. Die bot einen Überblick über sprachwissenschaftliche Grundlagen, historische Entwicklungen und aktuelle empirische Studien und legte so den Grundstein für eine konstruktive Debatte.
Den Anfang machte die Feststellung, dass das Genus als (meist willkürliches) grammatisches Geschlecht nicht zu verwechseln ist mit dem Sexus, der das biologische Geschlecht markiert.
Während „der Mensch“ „die Person“ oder „das Mitglied“ geschlechtsindifferent sind, gibt es Personenbezeichnungen, die in der männlichen und der weiblichen Form daherkommen, wie der Kollege/die Kollegin. In der Diskussion ist besonders die vermeintlich geschlechtsneutrale Verwendung der männlichen Form, das generische Maskulinum, das etwa mit „Bürger“ die Bürgerinnen mit meint.
Um welche Rollen es jeweils geht, darüber müsse man bei einer geschlechtsspezifischen Sprache wie der deutschen öfter nachdenken, bemerkte die Sprachwissenschaftlerin.
Bei Berufsbezeichnungen wie Journalist/Journalistin ist die männliche Form der Standard, die weibliche die Ableitung. „Sind 99 Journalistinnen und ein Journalist im Raum sind es 100 Journalisten“, bemerkte Müller-Spitzer und ergänzte: „Im öffentlichen Raum wurden lange fast nur Männer adressiert, das hat sich erst in der Nachkriegszeit geändert.“ Je weiter weg und allgemeiner, desto besser funktioniere das generische Maskulinum, siehe ‚die Einwohner Berlins‘. Bei direkter Ansprache konkreter Personen, etwa als „Damen und Herren“, habe Gendern dagegen Tradition.
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Die Sprachwissenschaftlerin bezeichnete das generische Maskulinum als Dreh- und Angelpunkt der Auseinandersetzung um geschlechtergerechte Sprache. Der Zusammenhang von Sprache und Chancengleichheit sei „sehr robust dokumentiert“, betonte sie. Mehr Mädchen könnten sich vorstellen, einen typischen Männerberuf zu ergreifen, wenn die Bezeichnung auch in der weiblich Form verwendet werde.
Für Müller-Spitzer geht es um Sichtbarmachung. „Man muss nicht alles gendern, es kann auch gut funktionieren mit einem kreativen Ansatz“, betonte sie. Oft lasse sich das generische Maskulinum durch neutrale Begriffe ersetzen. So müsse aus einer Handwerker-Tagung keine Handwerker*innen-Tagung werden (das Beispiel kam in der Diskussion auf), stattdessen könnte die Bezeichnung Fachtagung des Handwerks gewählt werden. Hilfreiche Tipps für den Journalismus biete die Seite Genderleicht.de.
In der lebendigen Diskussion kamen auch Stimmen zu Wort, die im Gendern eine Bevormundung sehen und befürchten, dass Sprachregelungen „von oben“ verordnet werden könnten.
Müller-Spitzer gab Entwarnung. Sprache entwickle sich durch Gebrauch, den Wandel verglich sie mit einem Trampelpfad. Wenn viele ihn gehen, wird es ein Weg. Beim Gendern bildeten sich neue Formen wie Doppelpunkt, Genderstern oder Gendergap heraus. In der Sprachwissenschaft gehe es nicht darum, diesen Prozess zu beeinflussen, sondern ihn zu beobachten und zu dokumentieren.
Was regt denn so auf?, fragte sie. Und was spricht dagegen, dass man die, die das möchten, entspannt experimentieren lässt? Sie beobachtet Entdecker und Bewahrer, unterschiedliche Haltungen und Gegenkräfte, die aufeinandertreffen sowie Gruppen, die mitreden wollen. Einzig die AfD habe ein sprachpolitisches Programm. Sie sei zudem bestrebt, die Aufregung über das Gendern aufrecht zu erhalten.
Andreas von Bernstorff sprach von einer Strategie der Spaltung und warnte davor, seiner Meinung nach harmlose Wörter wie Z.schnitzel mit Identitätsfragen zu verknüpfen.
Ein Journalist beschwerte sich über Vorgaben seines Arbeitgebers, während sich eine Studierende von ihrer Uni eine Richtlinie für geschlechtergerechte Sprache wünschte: „Wenn ich eine Hausarbeit schreibe, wie soll ich es machen?“
Quelle: Pressemitteilung der dju Rhein-Neckar
Transparenzhinweis: Der Herausgeber des Neckarstadtblogs ist Vorstandsmitglied der dju Rhein-Neckar. Die Veröffentlichung erfolgte unentgeltlich.
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dju Rhein-Neckar diskutierte mit Mannheimer Sprachwissenschaftlerin.
Auf ihre Einladung zum Themenabend „Geschlechtergerechte Sprache: Zumutung, Herausforderung, Notwendigkeit?“ im Gewerkschaftshaus in Mannheim hatte die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) Rhein-Neckar nicht nur positive Rückmeldungen erhalten.
„Das ist ein heißumstrittenes Thema“, stellte Elvira Richter bei der Begrüßung fest. Auch für ihre Vorstandskollegin Lydia Dartsch zeigte das teils sehr emotionale Feedback einmal mehr, wie aufgeladen die Debatte ist. „Ich hoffe, dass wir heute Abend deutlich sachlicher diskutieren können“, sagte sie und stellte als Referentin die Sprachwissenschaftlerin Prof. Carolin Müller-Spitzer vom Mannheimer Leibniz-Institut für deutsche Sprache vor. Die bot einen Überblick über sprachwissenschaftliche Grundlagen, historische Entwicklungen und aktuelle empirische Studien und legte so den Grundstein für eine konstruktive Debatte.
Den Anfang machte die Feststellung, dass das Genus als (meist willkürliches) grammatisches Geschlecht nicht zu verwechseln ist mit dem Sexus, der das biologische Geschlecht markiert.
Während „der Mensch“ „die Person“ oder „das Mitglied“ geschlechtsindifferent sind, gibt es Personenbezeichnungen, die in der männlichen und der weiblichen Form daherkommen, wie der Kollege/die Kollegin. In der Diskussion ist besonders die vermeintlich geschlechtsneutrale Verwendung der männlichen Form, das generische Maskulinum, das etwa mit „Bürger“ die Bürgerinnen mit meint.
Um welche Rollen es jeweils geht, darüber müsse man bei einer geschlechtsspezifischen Sprache wie der deutschen öfter nachdenken, bemerkte die Sprachwissenschaftlerin.
Bei Berufsbezeichnungen wie Journalist/Journalistin ist die männliche Form der Standard, die weibliche die Ableitung. „Sind 99 Journalistinnen und ein Journalist im Raum sind es 100 Journalisten“, bemerkte Müller-Spitzer und ergänzte: „Im öffentlichen Raum wurden lange fast nur Männer adressiert, das hat sich erst in der Nachkriegszeit geändert.“ Je weiter weg und allgemeiner, desto besser funktioniere das generische Maskulinum, siehe ‚die Einwohner Berlins‘. Bei direkter Ansprache konkreter Personen, etwa als „Damen und Herren“, habe Gendern dagegen Tradition.
Die Sprachwissenschaftlerin bezeichnete das generische Maskulinum als Dreh- und Angelpunkt der Auseinandersetzung um geschlechtergerechte Sprache. Der Zusammenhang von Sprache und Chancengleichheit sei „sehr robust dokumentiert“, betonte sie. Mehr Mädchen könnten sich vorstellen, einen typischen Männerberuf zu ergreifen, wenn die Bezeichnung auch in der weiblich Form verwendet werde.
Für Müller-Spitzer geht es um Sichtbarmachung. „Man muss nicht alles gendern, es kann auch gut funktionieren mit einem kreativen Ansatz“, betonte sie. Oft lasse sich das generische Maskulinum durch neutrale Begriffe ersetzen. So müsse aus einer Handwerker-Tagung keine Handwerker*innen-Tagung werden (das Beispiel kam in der Diskussion auf), stattdessen könnte die Bezeichnung Fachtagung des Handwerks gewählt werden. Hilfreiche Tipps für den Journalismus biete die Seite Genderleicht.de.
In der lebendigen Diskussion kamen auch Stimmen zu Wort, die im Gendern eine Bevormundung sehen und befürchten, dass Sprachregelungen „von oben“ verordnet werden könnten.
Müller-Spitzer gab Entwarnung. Sprache entwickle sich durch Gebrauch, den Wandel verglich sie mit einem Trampelpfad. Wenn viele ihn gehen, wird es ein Weg. Beim Gendern bildeten sich neue Formen wie Doppelpunkt, Genderstern oder Gendergap heraus. In der Sprachwissenschaft gehe es nicht darum, diesen Prozess zu beeinflussen, sondern ihn zu beobachten und zu dokumentieren.
Was regt denn so auf?, fragte sie. Und was spricht dagegen, dass man die, die das möchten, entspannt experimentieren lässt? Sie beobachtet Entdecker und Bewahrer, unterschiedliche Haltungen und Gegenkräfte, die aufeinandertreffen sowie Gruppen, die mitreden wollen. Einzig die AfD habe ein sprachpolitisches Programm. Sie sei zudem bestrebt, die Aufregung über das Gendern aufrecht zu erhalten.
Andreas von Bernstorff sprach von einer Strategie der Spaltung und warnte davor, seiner Meinung nach harmlose Wörter wie Z.schnitzel mit Identitätsfragen zu verknüpfen.
Ein Journalist beschwerte sich über Vorgaben seines Arbeitgebers, während sich eine Studierende von ihrer Uni eine Richtlinie für geschlechtergerechte Sprache wünschte: „Wenn ich eine Hausarbeit schreibe, wie soll ich es machen?“
Quelle: Pressemitteilung der dju Rhein-Neckar
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