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Stadtentwicklung

Proteste gegen GBG hören trotz Teilabriss nicht auf

Rund 100 Personen demonstrierten am Samstag, 23. Juli, in Begleitung eines massiven Polizeiaufgebots für den Erhalt bezahlbarer GBG-Wohnungen.

Massives Polizeiaufgebot sorgt für Verwunderung

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Die Reaktionen auf das massive Polizeiaufgebot waren äußert gemischt: Während es manche in Angst und Schrecken versetzte, weil nicht klar war, warum soviel Einsatzkräfte vor Ort waren, wünschten sich andere Bewohner eine solche Bewachung der Neckarstadt-West jeden Tag | Foto: M. Schülke
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Etwas merkwürdig und auch besorgniserregend präsentierte sich die Szenerie an dem sonnigen Samstagnachmittag auf dem Neumarkt in der Neckarstadt-West, als zu Beginn der Protestveranstaltung das kleine Grüppchen der Demonstrierenden auf ein in ihren Augen unverhältnismässig großes Aufgebot der Polizei trafen. Für jede/n Demo-Teilnehmer/in schienen ein bis zwei Polizisten vor Ort zu sein, manche schätzten das Verhältnis noch extremer ein. Sechs Mannschaftswagen, drei Streifenwagen, zwei Motorräder wurden allein während der Anfangskundgebung gezählt, weitere Fahrzeuge waren wohl in Neben- und Seitenstraßen platziert. Als sich schließlich auch noch vier Beamte hoch zu Ross am Neumarkt einfanden, machte sich leise Empörung unter den Anwesenden breit. Das Unverständnis der Demo-Teilnehmer/innen über dieses unverhältnismäßige Polizeiaufgebot lässt sich nachvollziehen, wenn man weiß, dass eine Demonstration der im Großen und Ganzen gleichen Personengruppe im letzten November von insgesamt vier Polizeibeamten begleitet wurde und es zu keinerlei Zwischenfällen gekommen war.

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Vier Reiter begleiteten den Protestmarsch zur Carl-Benz-Straße | Foto: M. Schülke

Offiziell möchte das Polizeipräsidium Mannheim sich zu diesem Missverhältnis nicht äußern, uns liegen aber Aussagen aus Polizeikreisen vor, die darauf schließen lassen, dass die bei der Kleindemo eingesetzten Beamten eigentlich für die zunächst für Samstag geplante Großdemo nationaler Türken in der Innenstadt mit Schlusskundgebung auf dem Alten Messplatz gedacht waren. Diese wurde jedoch kurzfristig abgesagt und erst am folgenden Sonntag abgehalten. So waren plötzlich sehr viele Polizisten in der Neckarstadt abgestellt, so dass der an diesem Tag verantwortliche Polizeiführer wohl entschieden hat, seine Beamten bei der Veranstaltung von „Wem gehört die Stadt?“ (WGDS) einzusetzen. Diese Entscheidung führte zu einer enormen Verunsicherung der Neckarstädter Bevölkerung, da gerade zu Beginn der Protestversammlung auf dem Neumarkt für Passanten in keiner Weise erkennen ließ, dass hier einfach nur eine angemeldete, öffentliche Veranstaltung begleitet wurde. Unter den frischen Eindrücken des Amoklaufs von München am Vorabend wurde bei den Menschen unnötig Angst geschürt.

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Um die Ecke standen noch mehr Mannschaftswagen | Foto: M. Schülke

Mehrfach wurde unser Reporter vor Ort angesprochen, was denn geschehen sei, ob es sicher sei und wozu soviel Polizei im ganzen Stadtteil versammelt sei. Diesen von der Bevölkerung vermuteten Zusammenhang lässt das Polizeipräsidium auch auf mehrfache Nachfragen einfach im Raum stehen, statt aufzuklären. Von Seiten der Demonstrationsanmelder gab es bis auf die als unverhältnismäßig wahrgenommene Anzahl von Beamten, keine Kritik am Einsatz der Polizei zu vermelden. Es herrschte ein entspannter und friedlicher Umgang. Auch den Polizisten stand förmlich ins Gesicht geschrieben, dass sie froh waren, an diesem Nachmittag diese Demonstration begleiten zu dürfen statt der geplatzten in der Innenstadt.

Die Demonstration gegen den Abriss bezahlbaren Wohnraums kann losgehen

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Versammlungsleiter Karlheinz Paskuda erklärt den Teilnehmenden die Regeln | Foto: M: Schülke

Nachdem die Formalitäten wie Ordner und Auflagen geklärt waren, konnte die Versammlung offiziell beginnen. Mit Redebeiträgen eines namentlich unbekannten WGDS-Vertreters und Gizem Gözüacik, welche die mitlaufende DIDF-Jugend (i) repräsentierte, wurde auf die (un)soziale Verdrängung durch den Austausch von gering- zu besserverdienenden Mietern hingewiesen. Während es überall an bezahlbarem Wohnraum fehle, reiße ausgerechnet die städtische Wohnungsbaugesellschaft GBG dort an der Carl-Benz-Straße solchen ab, um ihn durch hochpreisigen zu ersetzen, den sich die bisherigen Mieter/innen oder auch andere Bewohner/innen der Neckarstadt nicht mehr leisten könnten. Die Mieten werden wahrscheinlich das Dreifache der aktuellen und womöglich das Doppelte des hiesigen Mietspiegels betragen.

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Gizem Gözüacik bei ihrem Redebeitrag | Foto: M. Schülke

Im Anschluss an die Redebeiträge teilte Karlheinz Paskuda, der an diesem Tag für WGDS als Veranstaltungsleiter auftrat, den Teilnehmenden die Spielregeln mit und die Versammlung setzte sich durch die Mittelstraße in Bewegung. Angeführt von zwei berittenen Polizisten und einem Mannschaftswagen der Polizei bewegte sich der Demonstrationszug mit einem breiten Transparent voran und lautstark skandierten markigen Sprüchen in Richtung Alter Messplatz. Seitlich sicherten die Polizeikräfte die Teilnehmenden durch parallel in Lang- und Riedfeldstraße fahrende Mannschaftswagen. Die Mittelstraße war auch am Alten Messplatz für die Demo abgesperrt, die ihren Weg in der Langen Rötterstraße fortsetzte, anschließend durch die Kleiststraße zur Uhlandstraße vorrückte, um dann zu einer Zwischenkundgebung in der Kobellstraße Halt zu machen. Dort erklärte eine Vertreterin der Initiative FairMieten, wie durch ihre Intervention der Verkauf mehrerer Wohnhäuser der VBL an Immobilienspekulanten verhindert werden konnte. Die herbe Niederlage gegen einen Mannheimer Luxussanierer einige Hausnummern weiter blieb an diesem Nachmittag unerwähnt.

Vorbei am „Neckarstädter Ground Zero des sozialen Wohnungsbaus“

Die letzte Etappe der Demonstration führte die Teilnehmenden direkt in die Kinzigstraße. Dort passierte die Versammlung mit Fassungslosigkeit die Baustelle, wo vor kurzem noch 32 günstige Wohnungen standen und die jetzt dem Erdboden gleich gemacht wurden (unsere Fotostrecke vom Abriss). Nur noch die Grundmauern im Boden zeugten von dem, was hier verloren gegangen ist.

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Nach kurzer Klärung wurden die Demo-Teilnehmer/innen zur Schlusskundgebung auf der Wiese durchgelassen | Foto: M. Schülke

Nachdem sich die Polizeipräsenz auf dem Weg deutlich verringert hatte, wurde die Versammlung in der Mainstraße wieder von starken Einsatzkräften in Empfang genommen. Diese sicherten die Zugänge zum Gelände der GBG ab. Da die Bannerträger an der Spitze des Zuges wohl nicht ausreichend über den genehmigten Weg informiert und durch die Blockade durch die Beamten verunsichert waren, musste der Versammlungsleiter schnell zur Klärung nach vorne eilen. Die Polizisten machten daraufhin den Weg auf die Wiese zwischen den GBG-Wohnblöcken frei, so dass die Demo-Teilnehmer/innen zur Schlusskundgebung an der Carl-Benz-Straße gelangen konnten.

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Die Augen des Gesetzes wachten über die teilnehmenden Kinder | Foto: M. Schülke

Auf der Wiese machten es sich die Teilnehmenden, darunter auch viele Familien mit kleinen Kindern, zunächst einmal gemütlich, während die Veranstalter das Transparent zur Carl-Benz-Straße hin präsentierten und alle auf den Lautsprecherwagen warteten, der einmal um den Block fahren musste. In ihrem Redebeitrag schilderte Ursula Minor, eine der letzten Bewohnerinnen, wie sie fast ihr ganzes Leben in diesen Häusern verbracht hatte, denn schon ihre Eltern hatten hier gewohnt – übrigens bis zu ihrem Tod. Seitdem steht die Wohnung von Minors Eltern leer. Frau Minor erhob den wohl berechtigten Vorwurf, dass von der städtischen GBG  über Jahrzehnte zu wenig für den Erhalt der Häuser getan wurde. Wo an anderer Stelle angestrebt wird, es Privatbesitzern gesetzlich zu untersagen, dass sie ihre Immobilien „kaputtwohnen“ lassen, soll der kommunale Vermieter seine Häuser hier an der Carl-Benz-Straße bis zur Unbewohnbarkeit vernachlässigt haben.

„Das lassen wir uns nicht gefallen!“

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Ursula Minor ist sauer auf die GBG | Foto: M. Schülke

Minor beklagt, dass die GBG sie nicht über die lang gehegten Pläne informiert habe. Erfahren hatten die Mieter/innen davon durch eine Bürgerinitiative aus dem Stadtteil (auch wir berichteten), erst dann sah sich die GBG gezwungen, eine Informationsveranstaltung anzuberaumen. 2011 habe zudem der damalige Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft versprochen: Diese Blocks werden saniert! Auch gegen Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz erhob sie Vorwürfe und hält seine Wohnungspolitik für unsozial. Wie sie leben und wo sie wohnen sollen, ließen sie sich nicht vom Oberbürgermeister oder dem GBG-Geschäftsführer Karl-Heinz Frings vorschreiben. Seit 60 Jahren lebten die Menschen in den Wohnblöcken der GBG dort friedlich zusammen. Eine gute Nachbarschaft habe man gehabt, alles sei prima gelaufen. Jetzt wolle die GBG sie plötzlich nicht mehr dort haben, aber das ließen sie sich nicht gefallen.

Schizophrene Wohnungspolitik

Anschließend ergriff ein weiteres WGDS-Mitglied das Wort und forderte den Gemeinderat und hier besonders die Mannheimer SPD, welche gerade mit der Forderung nach 1000 neuen bezahlbaren Wohnungen auf Plakaten Werbung macht, auf, an genau dieser Stelle nicht erst günstigen Wohnraum abzureißen, um ihn dann an anderer Stelle mühsam wieder aufzubauen. Diese SPD-Forderung wurde angesichts der Beschlüsse zur Carl-Benz-Straße als heuchlerisch bezeichnet. Der Redebeitrag schloss mit der Ankündigung weiterer Proteste. So fand gleich eine Woche später bereits an der selben Stelle ein Solidaritätsgrillen statt, wiederum unter den wachsamen Augen der Polizei, die das „Grillen mit freier Meinungsäußerung“ nach einem kurzen Gespräch mit den Teilnehmenden „im Rahmen der Streife“ weiter beobachtete. Zum Abschluss dankte Versammlungsleiter Karlheinz Paskuda allen 300 Personen, die an der Demonstration für bezahlbaren Wohnraum und gegen die Verdrängung von nicht so zahlungskräftigen Mietern teilgenommen hatten, also 100 Demonstrierende (dies bestätigte uns die Pressestelle des Polizeipräsidiums) und 200 Polizisten (unbestätigt). Er zeigte sich sehr zufrieden mit der Beteiligung und dem friedlichen Ablauf.

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100 junge Leute: Der Eismann nutzte die Gelegenheit und machte ein gutes Geschäft | Foto: M. Schülke

GBG am Ziel? Ist die Neckarstadt-Ost bald nicht mehr bezahlbar?

Unseren Informationen nach ist die GBG bald an ihrem Ziel. In den verbliebenen 96 Wohnungen der noch stehenden drei Blöcke sind nur noch zwei Mietparteien ohne konkrete Auszugspläne. Es gibt also kaum noch Mieter/innen, gegen deren Verdrängung aus ihren Wohnungen, sich das Bündnis „Wem gehört die Stadt?“ solidarisieren könnte. Als Ziel des Protests bleibt aber sehr wohl die Erhaltung günstigen Wohnraums im Herzen der Neckarstadt-Ost, wo die Mieten wie kaum woanders in Mannheim steigen und steigen. Für Kaltmieten von 10 Euro und höher braucht der Mannheimer Wohnungsmarkt seine städtische Wohnungsbaugesellschaft wohl kaum – das kriegen Privatunternehmen auch hin.

Unsere Fotostrecke der Demonstration:


Auch andere Medien berichteten von der Demonstration. So z.B. die Lampertheimer Zeitung und die Rhein-Neckar-Zeitung. Der Mannheimer Morgen hingegen hatte anscheinend gar keinen Mitarbeiter geschickt und ein weiteres regionales Medium entschied trotz Ortspräsenz wohl aus Rücksichtnahme auf den Anzeigenkunden auf eine Berichterstattung zu verzichten.

Anm. d. Red.: Der Bericht erscheint deshalb mit enormer Verspätung, da noch einige Auskünfte vom Polizeipräsidium ausstanden und die Pressestelle uns über eine Woche auf Antworten warten ließ.

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1 Kommentar zu “Proteste gegen GBG hören trotz Teilabriss nicht auf

  1. Es ist nichts NEUES, dass Kurz und die GBG machen was SIE wollen, obwohl Kurz sagte , den Bürgern, gehört die Stadt. Die GBG schmeisst uns hier raus hat aber keine geeignete Wohnungen für uns. Also was soll der ganze Blödsinn. Trotz Wahlschlappe, Klinikumskandal hat OB Kurz nichts dazu gelernt und macht einfach weiter wie bisher. Eine Schand.

Kommentare sind geschlossen.